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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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räuspern. Ging langsam zu meinem
Schreibtisch. Es war kein Beweis für irgendetwas. Das Foto bedeutete nichts
weiter, als dass Judith Landers kurz vor Beginn ihrer kriminellen Karriere
Prochnik noch einmal besucht hatte. Es bedeutete nicht, dass sie später
gemeinsam Banken ausgeraubt hatten. Es bedeutete nicht, dass sie gemeinsam einen
Terroranschlag geplant hatten. Es bedeutete im Grunde überhaupt nichts. Und
dennoch …
    Zögernd setzte ich mich. Zu meiner Erleichterung meldete sich mein
Telefon. Klara Vangelis. Sie klang euphorisch.
    Â»Ich denke, ich habe hier einen Volltreffer, Herr Gerlach. Ein
Handy, das nur in der Brandnacht in der Nähe des Hauses war. Nie davor und nie
danach. Von etwa halb elf bis lange nach eins. Der Vertrag läuft auf einen
gewissen Adrian Horstkotte. Können Sie damit etwas anfangen?«
    Und ob ich konnte. Das fehlende Puzzleteil. Er war in der Nacht dort
gewesen. Er steckte mit drin. Jetzt war er dran.
    Als ich aufspringen wollte, um Horstkottes sofortige Vorführung zu
veranlassen, summte das Telefon zum zweiten Mal. Die träge, dialektgefärbte
Frauenstimme hatte ich nie zuvor gehört.
    Â»Annegret Beierlein, guten Tag. Spreche ich mit Herrn Kriminaloberrat
Gerlach?«
    Â»Ja«, erwiderte ich schon halb im Stehen.
    Â»Entschuldigen Sie bitte die Störung. Es ist bloß … Es ist wegen
dieser Kollegin von Ihnen. Sie hat letzte Woche hier geläutet und … Der Name
fällt mir jetzt nicht ein, Entschuldigung. Sie hat ein Baby dabeigehabt und
wollt wissen, ob mir in der Nacht vom neunten auf den zehnten September
irgendwas aufgefallen ist. Ich hab ihr gesagt, damals hab ich andere Sorgen
gehabt. Der zehnte ist nämlich der Tag gewesen, an dem der Friedrich ins Krankenhaus
gemusst hat …«
    Â»Friedrich ist Ihr Mann?« Ich nahm den Hörer ans andere Ohr und
setzte mich wieder.
    Â»Ja. Entschuldigen Sie. Er hat eine schwere Operation vor sich
gehabt, Krebs. Und es ist leider nicht gut gegangen. Ein paar Tage haben sie
ihn sogar im künstlichen Koma halten müssen, aber seit Samstag ist er wieder
wach, und ich besuch ihn natürlich jeden Tag. Der Friedrich ist nämlich ein
Kollege von Ihnen, das hab ich vergessen zu erwähnen, Entschuldigung.«
    Ich begann, mit den Fingern der freien Hand einen Rhythmus auf die
Tischplatte zu klopfen.
    Â»Und gestern hab ich ihm dann von der Frau mit dem Baby erzählt. Man
muss ja irgendwas reden. Der Name von der Frau, wie gesagt …«
    Â»Vangelis, nehme ich an. Es ist ein griechischer Name.«
    Â»Ich weiß noch, wie ich mich gewundert hab. Aber heutzutage dürfen
ja sogar Türken Polizisten werden, sagt der Friedrich.«
    Mein Klopfrhythmus wurde schneller.
    Â»Was kann ich für Sie tun, Frau Beierlein?«
    Â»Und wie ich dem Friedrich das erzähl, von dieser Frau
Vange-irgendwas, da hat er gesagt, ich soll Sie sofort anrufen. Er hätt Ihnen
was Wichtiges mitzuteilen. Er will es Ihnen aber selber sagen. Ich bring doch
bloß wieder alles durcheinander, meint er.«
    Â»Ich werde noch heute jemanden vorbeischicken. In welchem
Krankenhaus liegt er denn?«
    Â»Er möcht aber unbedingt mit Ihnen persönlich reden. Und Sie sollten
sich beeilen.« Bei den letzten Worten verlor ihre Stimme jeden Klang. »Er liegt
im Sterben.«
    Ich beschloss, heute auf das Mittagessen zu verzichten.
    Friedrich Beierlein war früher sicherlich ein starker Mann
gewesen. Als ich ihn zum ersten und letzten Mal sah, war er ein Gerüst aus
faltiger Haut und Knochen. Er war achtundfünfzig Jahre alt und seit seinem
neunzehnten Lebensjahr im Polizeidienst. Sein hohes Krankenbett stand in einem
sonnigen Zweibettzimmer der inneren Abteilung des Uniklinikums. Als ich leise
eintrat, schlief er. Sein Atem ging rasselnd. Als ich neben dem Bett stand, erwachte
er und sah mich verständnislos an.
    Â»Ihre Frau …«, sagte ich, nachdem ich meinen Namen genannt hatte.
    Â»Ich hab ihr gesagt, sie soll Sie anrufen«, keuchte er. »Gut, dass
Sie gleich kommen konnten, Herr Kriminaloberrat. Ich …« Er schloss die
eingefallenen, eisblauen Augen, öffnete sie mühsam wieder. »Ich mach’s nicht
mehr lang, wissen Sie.«
    Â»Sie haben am Abend des neunten September irgendwas gesehen oder
gehört?«
    Wieder fielen die Augen zu. Ich musste eine Weile auf die Antwort
warten. Das zweite Bett, das in meinem Rücken stand, war

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