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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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auch so eins gehabt. Das von
dem Spinner, das war orange, das von meinem Jüngsten eisengrau-metallic. Es ist
aber keine Originallackierung gewesen. Der hat das angemalt. Für den Fall, dass
er mal dem in die Quere kommt, dem er’s geklaut hat.«
    Â»Haben Sie sich einen Ausweis zeigen lassen?«
    Â»Hat er angeblich nicht dabei gehabt. Hab ihn dann ziehen lassen.
Bin ein bisschen müde gewesen an dem Tag. Außerdem wollten die Kollegen wissen,
was sie mit dem BMW anfangen sollen. Was wohl, hab ich gesagt, abschleppen natürlich.
Der Arsch steht in meiner Einfahrt. Und die: Na ja, bloß, weil der jetzt in
deiner Einfahrt steht …? Sie hatten auch schon eine Halterermittlung gemacht,
aber dann ist der von selber gekommen. Ein junger Türke, natürlich, und hat
sich tausend Mal entschuldigt. In der Apotheke sei er gewesen, angeblich wegen
irgendeinem Medikament für seine kranke Mutter, kennt man ja. Ich hab mein Auto
dann einfach stehen lassen. Drum steht es da jetzt immer noch am Straßenrand,
wo ich’s vor … vor fast vier Wochen … Die Annegret kann ja nicht fahren, wissen
Sie. Nie hat sie den Führerschein machen wollen, und die Kinder sind weiß Gott
wo. Ins Krankenhaus hab ich am nächsten Morgen ein Taxi genommen. Zahlt die Kasse.«
    Der Radfahrer war in Richtung Süden unterwegs gewesen, erfuhr ich
noch. Dorthin, wo das wenige Stunden später in Flammen aufgegangene Haus stand.
    Â»Würden Sie mir einen Gefallen tun?«, sagte Friedrich Beierlein, als
ich mich verabschiedete und ihm mit flauem Gefühl im Bauch alles Gute wünschte.
    Ich musste ihm versprechen, seinen geliebten Mercedes noch heute auf
seinen geliebten Stellplatz zu fahren, wo er schließlich hingehörte.
    Der kranke Mann bedankte sich, als würde ihm seine größte Sorge von
der Seele genommen. Lange drückte er meine Rechte mit beiden Händen. Seine
Hände waren kalt und fühlten sich an, als wären sie mit altem Pergament
überzogen. Aber sie hatten immer noch überraschend viel Kraft.
    Als ich mich zum Gehen wandte, kam mir ein Gedanke. Ein Gedanke aus
dem Nichts: »Könnte es sein, dass er jemandem gefolgt ist? Dass er es deshalb
so eilig hatte?«
    Â»Gefolgt?« Beierlein überlegte lange. »Jetzt, wo Sie’s sagen. Kann
sein, dass da ein zweites Fahrrad gewesen ist. Aber da war Licht dran. Ja, jetzt
seh ich’s vor mir. Das Rad hat so komisch gequiekt. Und die hat auch nicht
telefoniert beim Fahren.«
    Â»Eine Frau?«
    Â»Eine Frau, ja.«
    Â»Jung? Alt? Blond? Dunkel?«
    Â»Nicht jung. Um die fünfzig vielleicht. Mager. Die Haare hab ich
nicht sehen können. Ich denke, sie hat eine Kapuze aufgehabt. Und ein
ordentliches Tempo hat sie draufgehabt, die Frau. Ich weiß noch, wie mich das
gewundert hat. In dem Alter.«
    Da ich schon im Klinikum war, läutete ich noch rasch an
der Tür zur Intensivstation, die sich auf demselben Stockwerk befand. Jonas
Jakobys Zustand war unverändert, erfuhr ich dort. Weder besser noch schlechter.
In einer Woche, hoffentlich, würde man mehr wissen.
    Anschließend fuhr ich nach Kirchheim hinaus, drückte den sauber
geputzten Klingelknopf neben der Beierlein’schen Gitterglashaustür, bekam von
einer müden, alten Frau den Autoschlüssel ausgehändigt und fuhr den Mercedes an
seinen angestammten Platz neben dem Haus.
    Als ich den liebevoll gepflegten Wagen abschloss, öffnete sich zum
zweiten Mal die Haustür.
    Â»Danke«, sagte die Frau und nahm den Schlüssel entgegen, ohne mich
anzusehen. »Wenn er nur endlich tot wär.«
    Â»Es tut mir leid, dass es Ihrem Mann so schlecht geht.«
    Â»Wenn er sich damals gleich hätt operieren lassen … Aber er ist so
ein Dickkopf … So ein Depp ist er. Manchmal könnt man ihn am Kragen packen und …«
    Sie blinzelte, aber ihre Augen waren trocken. Betreten wünschte ich
auch ihr alles Gute.
    Â»Was soll das sein, dieses Gute?«, fragte sie an mir vorbei.
»Sterben wird er. Morgen. Übermorgen. Und ich sitz hier mit einem Haus, das zu
groß ist für mich, und einem Auto, das ich nicht brauchen kann. Und die Kinder
sind in Amerika und in Italien und wollen nichts mehr von einem wissen.«

36
    Eine Stunde später saß ich Adrian Horstkotte erneut gegenüber.
Am Vortag war er in die Mannheimer JVA verlegt worden, und es war nicht leicht
gewesen, einen Parkplatz zu

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