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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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atemlos, oft auch gereizt. Im
Hintergrund hörte ich ständig das an- und abschwellende Gebrüll der Demonstranten,
Sprechchöre, Geräusche, die nichts Gutes ahnen ließen, Klirren, kleinere Explosionen,
immer wieder das Knattern unseres Hubschraubers. Erste Müllcontainer brannten,
ein kleines Haushaltswarengeschäft und eine große Boutique, die zu einer
schwedischen Kette gehörte.
    Â»Die sind super organisiert!«, schrie jemand aus dem Lautsprecher.
»Wir saufen hier ab! Schickt um Gottes willen, was ihr habt!«
    Â»Ist alles unterwegs«, antwortete die Kollegin begütigend, die neben
mir im Warmen saß. »Verstärkung kommt. Keine Panik. Und Funkdisziplin, bitte.«
    Vor der Talstation der Bergbahn, die zum Königstuhl hinauffuhr,
gerieten zwei etwa gleich starke Gruppen Randalierer und Polizisten aneinander,
konnte ich auf einem der Monitore beobachten. Steine flogen, vereinzelt auch
brennende Flaschen. Unsere Antwort waren Reizgas und Schlagstöcke.
    Die Kollegin am Mikrofon informierte den Einsatzleiter vor Ort über
weitere, parallel durch die Gassen anrückende Autonome, beorderte vorsorglich
Verstärkung an den Punkt, wo die Gruppen zusammentreffen würden. Live konnte
ich beobachten, wie die Front unserer Leute vorrückte, mit erhobenen Schlagstöcken
und hinter große Schilde geduckt. Die Demonstranten spritzten auseinander,
teilten sich in immer kleiner und zahlreicher werdende Gruppen auf, fanden zwei
Straßen weiter erneut zusammen. Zwei, drei der Angreifer lagen am Boden, wurden
unter heftiger Gegenwehr überwältigt.
    Â»Meine Fresse«, stöhnte die Kollegin am Mikrofon, nachdem sie die
Sprechtaste wieder einmal losgelassen hatte. »Das ist ja Krieg!«
    Aus dem Lautsprecher quäkte der nächste Hilferuf. Jetzt eskalierte
die Situation plötzlich auf dem Universitätsplatz. Die Zahl der Randalierer war
mehr als doppelt so groß wie vor wenigen Minuten bei der Talstation. Die Rufe
aus den Lautsprechern wurden noch lauter, noch dringender. Die Chaoten hatten
den Vorteil, in der Initiative zu sein, während unsere Leute nur reagieren konnten.
In aller Hast wurden Kräfte verschoben und umsortiert. Neu ankommende Gruppen
Bereitschaftspolizei wurden an die Orte dirigiert, wo sie gerade am nötigsten
gebraucht wurden. Allmählich gewannen wir zumindest zahlenmäßig die Oberhand.
    Der Mensch, der im Hubschrauber die Kameras bediente, zoomte die
Szenerie auf dem Universitätsplatz heran. In der ersten Reihe wurde schon
geprügelt, in der zweiten gebrüllt und geschoben. In der dritten entdeckte ich
zwei Demonstranten, die schmaler waren als die anderen um sie herum. Frauen
offenbar. Mädchen fast noch. Schwarze Lederjacken. Blondes, langes Haar. Die Gesichter
halb von blau-weiß karierten Tüchern verdeckt. Die Kamera zoomte wieder zurück,
und schon im nächsten Moment waren die Mädchen nicht mehr auszumachen im
Gewühl. Aber diese eine Sekunde hatte genügt, um sie zu erkennen. Louise und
Sarah mitten in einer gewalttätigen Demonstration gegen was auch immer. Niemand
von uns wusste, wogegen da eigentlich ganz genau protestiert wurde. Vermutlich
ging es den meisten Demonstranten nicht anders.
    Jemand von der Technik entdeckte plötzlich, dass ein Teil der
Autonomen CB-Funk benutzte, um sich abzustimmen. Das war ungewöhnlich und altmodisch.
Möglicherweise fürchteten sie, wir würden die Handynetze vorübergehend
abschalten.
    Â»Wir könnten die Frequenzen stören, die sie benutzen«, schlug der
Kollege vor.
    Â»Lieber nicht«, widersprach ich. »Besser, wir hören zu, was sie
vorhaben.«
    Bei dem hektischen Geschrei und Gezeter, das unentwegt aus dem
Funkgerät drang, war das nicht leicht, aber mit der Zeit erkannte ich manche
Stimmen wieder. Bald konnten wir auch die ungefähren Orte bestimmen, wo die
Rädelsführer sich gerade aufhielten, und so die Bewegungen der verschiedenen
Gruppen vorhersagen.
    Der Versuch, die große Demonstrantengruppe auf dem Universitätsplatz
einzukesseln, scheiterte im letzten Moment, weil die Chaoten offenbar einen Weg
durch das Universitätsgebäude hindurch kannten, den man auf unserer Seite
übersehen hatte. Praktisch von einer Sekunde auf die andere waren sie weg, und
unsere anrollenden Streitmächte stießen erneut ins Leere. Was die Demonstranten
noch nicht wussten: Alle Zugänge zur Innenstadt

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