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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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schmierigen
Finsterlingen, die die Vertrauensseligkeit meiner kleinen Töchter schamlos
ausnutzten? Ihnen das Blaue vom Himmel herunter versprachen? Filmkarrieren?
Villen an der Riviera? Vielleicht gerade jetzt, in diesem Moment, als ich mit
vermutlich selten dämlichem Gesicht die leichte Schachtel so vorsichtig an
ihren Platz zurücklegte, als wäre sie aus Glas?
    Die grün leuchtenden Ziffern meines Weckers zeigten dreizehn
Minuten vor fünf, als ich aus tiefem Schlaf hochschreckte. Mein
Unterbewusstsein hatte einige zueinander passende Informationen
nebeneinandergerückt. Goldschmuck: Hatten unsere Techniker nicht an der noch
nicht identifizierten zweiten Leiche Reste eines Goldkettchens gefunden?
Italien: Peter Hagenow war am dritten Juli nach Rimini geflogen, am neunten
hatte Prochnik einen Anruf aus Luzern erhalten. Wenn man von Norditalien nach
Baden-Württemberg fuhr, dann üblicherweise durch den Gotthardtunnel und an
Luzern vorbei. Waziristan – fürchteten die Amerikaner nicht einen Terroranschlag
eines konvertierten Deutschen, und befanden sich in dieser Gegend Nordpakistans
nicht die Ausbildungscamps der Taliban?
    Ich konnte nicht wieder einschlafen in dieser Nacht und war am
Morgen viel zu früh im Büro.
    Helena Guballa schien die Nacht wirklich vor ihrem Laptop
verbracht zu haben. Ihr Blick war trüb, die Gesichtsfarbe käsig, unter den
Augen schimmerten bläuliche Ringe.
    Â»Viel habe ich nicht mehr herausgefunden«, sagte sie tief enttäuscht,
als ich eintrat. »Einige Tage, nachdem die Fotos gemacht wurden, ist sie nach
Peshawar aufgebrochen, angeblich, um dort einen Arzt aufzusuchen. Sie hatte
sich während des Schulbaus eine Fußverletzung zugezogen, die nicht richtig
heilen wollte.«
    Â»Wenn sie weiter nach Europa gereist wäre, müsste sich das doch
herausfinden lassen.«
    Â»Das sagt sich so leicht«, erwiderte sie und rieb sich die Augen.
»Es gibt tausend Wege und Möglichkeiten. Einige davon habe ich schon abgeprüft.
Es ist hoffnungslos. Sie kann mit falschen Papieren nach Italien geflogen sein.
Als Mary Wollstonecraft oder unter einem anderen Namen. Sie kann sich mit Bus
und Bahn quer durch Afghanistan und den Iran bis nach Beirut oder Istanbul
durchgeschlagen haben.«
    Ich nahm hinter meinem Schreibtisch Platz und erzählte von meinem
Gespräch mit Pretorius und meinem nächtlichen Geistesfeuerwerk.
    Â»Wie heißt der junge Mann?«, fragte die Zielfahnderin, plötzlich
wieder konzentriert.
    Â»Peter. Peter …« Ich musste kurz in meinem Gedächtnis kramen, bis
mir der Name einfiel: »Peter Hagenow.«
    Irgendwas stimmte nicht. Warum kam mir der Name plötzlich so fremd
vor?
    Im Vorzimmer klappte die Tür. Sönnchen sah erstaunt herein, ersparte
uns jedoch launige Bemerkungen und erschien stattdessen kurze Zeit später mit
einem Cappuccino für mich und einer riesigen Tasse Milchkaffee für meine
Leidensgenossin. Diese schien es nicht einmal zu bemerken, als die milde
Dopinggabe neben sie gestellt wurde.
    Â»Damals, bei ihrer Reise vor dreißig Jahren, war sie viel mit öffentlichen
Verkehrsmitteln unterwegs«, murmelte sie, als würde sie Selbstgespräche führen.
»Selbst in den entlegensten Gegenden. Sie hat viel Erfahrung darin, sich in den
unwirtlichsten Winkeln der Welt fortzubewegen, ohne ausgeraubt oder
vergewaltigt zu werden.«
    Endlich ließ sie von ihrem Laptop ab, sank in ihren Stuhl zurück,
entdeckte die dampfende Tasse, lächelte Sönnchen dankbar an.
    Â»Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten. Man glaubt nicht, wie viele
Flughäfen es allein in Pakistan gibt. Sie kann mit dem Zug nach Indien gefahren
und von Delhi geflogen sein. Sie verfügt mit Sicherheit über perfekt gefälschte
Papiere. Judith ist nicht der Mensch, der die Dinge dem Zufall überlässt.«
    Sie trank einen großen Schluck Milchkaffee, schloss für Sekunden die
Augen.
    Â»Vielleicht sollten Sie nach Hause gehen und eine Runde schlafen?«
    Sie schien meinen Vorschlag überhört zu haben und begann plötzlich
zu tippen, als wäre ihr ein neuer Gedanke gekommen.
    Â»Ihre Idee, Judith könnte mit einer islamistischen Terrorgruppe
gemeinsame Sache machen, halte ich übrigens für Unfug«, sagte sie nebenbei.
»Judith lehnt jede Art von Religion ab. Opium fürs Volk.«
    Das Letzte hatte ich kürzlich schon einmal gehört.

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