Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
würde, würde ich alles Mögliche denken …«
    Ich brauchte einige weitere Nüsschen, bis ich begriff. »Wollen Sie
andeuten, der Junge ist schwul?«
    Â»Wussten Sie, dass er gerne Goldschmuck trägt?«
    Â»Einer meiner besten Männer trägt Glitzersteinchen im Ohr, und ich
schwöre jeden Eid, dass er nicht schwul ist.«
    Plötzlich war Pretorius ernst. »Zumindest ist er bi. Er hatte auch
Mädchen. Mit einer davon habe ich sogar selbst telefoniert. Die junge Dame ist
immer noch stinksauer auf ihn, obwohl die Geschichte schon Monate zurückliegt.
Er sei ein narzisstisches Arschloch, hat sie mir ziemlich ausführlich erklärt.
Und glauben Sie mir, es gibt solchen und solchen Goldschmuck. Ich weiß, wovon
ich rede.«
    Der Detektiv war selbst schwul, wie ich wusste. Es entstand eine
Pause. Pretorius leerte zügig sein Glas. Eine Gruppe, die sich neben uns an die
Theke drängelte, diskutierte die Tatsache, dass es in den Supermärkten schon
wieder Lebkuchen und Spekulatius zu kaufen gab.
    Â»Sie denken also, er ist in Italien«, sagte ich, als die Nüsschen
alle waren.
    Â»Ob er sich noch dort aufhält, weiß ich nicht, und es interessiert
mich auch nicht. Wenn die Mutter mehr wissen will, soll sie mir einen neuen
Auftrag geben.«
    Â»Wie hat sie reagiert?«
    Â»Erleichtert. Tausend Mal besser, er fliegt in der Vorlesungszeit
nach Italien, als …«
    Â»Besser als was?«
    Â»Ich weiß nicht, was sie befürchtet hat.«
    Als ich gegen elf nach Hause kam, fand ich die Wohnung
leer. Noch hatte ich mich nicht ganz daran gewöhnt, dass meine Töchter nun fast
erwachsen waren und bis Mitternacht unterwegs sein durften, ohne dass ich mich
der Vernachlässigung meiner Aufsichtspflicht schuldig machte. Ich setzte mich
ins Wohnzimmer, um noch ein letztes halbes Gläschen Weißwein zu trinken und
über Judith Landers nachzudenken, die vielleicht doch noch am Leben war und
vielleicht sogar auf dem Weg zurück in ihre alte Heimat.
    Kaum hatte ich den ersten Schluck genommen, begann irgendwo in der
Wohnung das Telefon zu trillern. Stöhnend erhob ich mich wieder, um es zu
suchen. Als ich schließlich feststellte, dass das Geräusch aus Louises Zimmer
kam, verstummte es. Nun ärgerte ich mich doch. Tausend Mal hatten wir schon
vereinbart, dass das Telefon auf dem Schuhschränkchen im Flur zu liegen hatte,
neben oder in der Basisstation, und nirgendwo sonst. Man durfte es mit ins
Zimmer nehmen, wenn man ungestört telefonieren wollte, aber anschließend hatte
es zurück an seinen Platz zu wandern, verflucht noch mal!
    Ich machte Licht. Im Zimmer das übliche Teeniedurcheinander.
Kleidung, Jugendzeitschriften, CDs, Schuhe, Strümpfe, Schminkkram, ein Föhn am
Boden, der eigentlich ins Badezimmer gehörte. Sogar ein aufgeschlagenes Buch
entdeckte ich auf dem zerwühlten Bett. Der Name der Autorin sagte mir nichts,
der Titel umso mehr: »Die Liebe – und was du davon wissen solltest.« Zu meiner
Zeit hatte man solche Bücher noch besser versteckt.
    Was ich nicht fand, war das Telefon. Lautlos fluchend holte ich mein
Handy vom Couchtisch und wählte wieder einmal meine eigene Festnetznummer. Es
begann erneut zu trillern, und ich fand das aufgeregt blinkende Telefon
schließlich am Boden unter einem kleinen Häufchen aus T-Shirts und Unterwäsche.
Als ich mich wieder aufrichtete, fiel mein Blick auf den Stuhl, der Louise als
zweites Nachttischchen diente, weil es auf dem ersten kein freies Plätzchen
mehr gab.
    Neben einem futuristischen Radiowecker mit USB-Anschluss, den sie
sich im vergangenen Jahr zu Weihnachten gewünscht hatte, lag eine kleine
Schachtel. Ich war schon fast aus dem Zimmer, als mir bewusst wurde, dass diese
Schachtel verteufelte Ähnlichkeit mit der Verpackung bestimmter Medikamente
hatte. Ich machte kehrt. Der Aufdruck war in Rosa gehalten. Daneben Blümchen.
Der Name des Präparats sagte mir nichts, und das Kleingedruckte konnte ich ohne
Brille nicht lesen. Aber das brauchte ich auch nicht.
    Was ich in Händen hielt, war eine Dreimonatspackung Anti-babypillen.
    Seit wann nahm Louise die Pille? Und warum wusste ich nichts davon?
War das überhaupt erlaubt, ohne Einverständnis der Erziehungsberechtigten? Und
nahm Sarah sie etwa auch? Hieß das etwa, dass meine Mädchen regelmäßig mit
irgendwelchen Jungs schliefen? Mit Männern? Mit irgendwelchen

Weitere Kostenlose Bücher