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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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zurück.
»Versprochen.« Dann sprang sie auf. »Jetzt muss ich aber wieder an die Arbeit.
Danke für den Saft.«
    Augenblicke später war sie im Studentengewühl des Marstallhofs
verschwunden.
    Erst auf dem Weg zurück zur Polizeidirektion wurde mir bewusst, dass
sie die Nachricht vom Tod ihres ehemaligen Freundes mit etwas zu großer Fassung
aufgenommen hatte. Fast, als hätte sie damit gerechnet.
    Â»Was war denn nun gestern Abend?«, fragte ich Helena Guballa,
als ich wieder an meinem Schreibtisch saß. »Haben Sie sie gesehen oder nicht?«
    Ihr Tippen erstarb nur allmählich. Sie ließ den Kopf auf die Brust
sinken.
    Â»Nichts war«, gestand sie. »Ich … Manchmal denke ich, ich bekomme
noch Halluzinationen davon.«
    Mein Telefon summte. Ich ließ es summen.
    Â»Vielleicht kein Wunder, wenn man sich Tag für Tag von morgens bis
abends mit derselben Sache beschäftigt.«
    Sie nickte, straffte den Rücken, tippte weiter.
    Ich nahm den Hörer ab.
    Â»So allmählich wird die Sache rund, Chef«, hörte ich Balke sagen.
»Der Mercedes war am neunten Juli in Luzern in der Werkstatt.«
    Ich setzte mich aufrecht hin.
    Â»Die Verständigung mit den Schweizern war ein bisschen kompliziert,
aber so viel hab ich rausgekriegt: Es war ein junger Mann, der den Wagen
gebracht und am nächsten Vormittag wieder abgeholt hat. Die Beschreibung passt
perfekt auf Peter von Arnstedt.«
    Â»Das erklärt den Anruf bei Prochnik«, sagte ich langsam. »Von einer
Frau war nicht die Rede?«
    Â»Ich bin noch dabei, alle infrage kommenden Hotels abzutelefonieren.
Dummerweise gibt’s in Luzern eine Menge Hotels.«
    Auch ich googelte den Namen Mary Wollstonecraft, fand aber
nichts, was sich nicht auf die englische Schriftstellerin und frühe
Frauenrechtlerin bezog, und die kleine Zeitungsmeldung, die Helena schon
entdeckt hatte. Ihre einzige Tochter, bei deren Geburt sie gestorben war,
führte später denselben Namen und nannte sich Mary Wollstonecraft Shelley. Auch
sie wurde Schriftstellerin. Sie war die Frau, die Frankenstein erfand. Der Name
war inspiriert durch eine Burg am Westrand des Odenwalds, erfuhr ich, nur etwa
vierzig Kilometer nördlich von Heidelberg.
    Bei der Fallbesprechung am späten Vormittag gab es kaum Neuigkeiten.
Balke hatte in Luzern bisher nichts erreicht, und allmählich gingen ihm die
Telefonnummern aus, die er noch hätte wählen können. Der Mercedes wurde im
kriminaltechnischen Labor des LKA in seine Einzelteile zerlegt. Hoffnungen
setzten wir in einige Haare und Hautschuppen, die die Spurensicherung an der
Nackenstütze des Beifahrersitzes gefunden hatte. Die Haare waren alle etwa
gleich lang, ungefähr sieben Zentimeter, und dunkelbraun. Das Ergebnis des
DNA-Abgleichs würde nicht allzu lange auf sich warten lassen. Die Technik hatte
in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Schon bald würde ich wissen,
ob Helena Guballa einem Hirngespinst nachjagte oder nicht.
    Vorläufig hieß es wieder einmal warten. Warten auf einen Anruf, ein
Klopfen an der Tür, eine zündende Idee, irgendeinen Geistesblitz.
    Aber dieser Dienstag schien nicht der Tag für Geistesblitze zu sein.
    Als es Zeit zum Essen war, fragte ich meine Bürogenossin, die mir
heute noch stiller zu sein schien als sonst, ob sie Lust habe, mich zu
begleiten. Sie ließ mich mit einer lahmen Ausrede abblitzen. Die Bilder aus
Pakistan waren immer noch nicht gekommen.
    Â»Wie läuft es mit deinem neuen Roman?«, fragte ich Theresa
am Abend.
    Â»Frag nicht«, seufzte sie mit finsterem Blick. »Es ist eine
Wahnsinnsarbeit. Anfangs sieht es immer so leicht und einfach aus. Und dann …«
    Â»Und du willst mir immer noch nicht verraten, worum es geht?«
    Â»Lassen wir das Thema. Es zieht mich runter.«
    Ich nahm sie in die Arme und drückte sie fest. »Bestimmt wird die
Muse dich bald wieder küssen.«
    Â»Heute reicht es mir vollauf, wenn du mich küsst«, schnurrte sie.
    Plötzlich schob sie mich auf Abstand und sah mir mit ihren großen,
graugrünen Augen vorwurfsvoll ins Gesicht. »Hast du eine Vorstellung davon, wie
viel ich pro Buch verdiene? Pro verkauftem Buch, wohlgemerkt!«
    Â»Zwei Euro? Drei?«
    Sie lachte grimmig und sank wieder in meine Arme. »Nicht mal fünfzig
Cent. Hätte ich in der Zeit, die ich für meine Kabale und Liebe gebraucht habe,
dein Büro

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