Die falsche Frau
diesmal?«
»Nichts Schlimmes. Ich würde mich nur gerne mit ihm unterhalten. Es
geht um einen jungen Mann, mit dem er möglicherweise befreundet war. Peter von
Arnstedt.«
»Peter wie?«
Ich wiederholte den Namen laut und langsam.
»Ist das auch einer von den Schwarzen?«
»Den Schwarzen?«
»Na, die bei den Demos immer so schwarz angezogen sind. Man sieht
sie ja dauernd im Fernsehen, diese schrecklichen Randalierer. Und unser Adrian
immer mittendrin â¦Â«
»Haben Sie eine Adresse, unter der ich Ihren Sohn erreichen kann?«
Die beiden alten Leute wohnten in Mönchengladbach, wo ihr Sorgenkind
zur Welt gekommen und zur Schule gegangen war.
»Wir?«, fragte die geplagte Mutter empört. »Wir haben doch nichts!
Er lässt sich ja nicht mehr bei uns blicken! Seit der Oliver, das ist mein Mann,
letztes Jahr seine Arbeit verloren hat, mit achtundfünfzig, und ⦠Ach, die
streiten doch nur noch, die zwei. Der Adrian sagt, er soll sich endlich mal wehren.
Aber gegen wen soll man sich denn wehren, bitte schön, wenn man seine Arbeit verliert?
Die Firma hat nicht genügend Aufträge und kann nicht mehr so viele Leute
beschäftigen. Dem Chef gehtâs selbst schlecht. Der hat jetzt einen Berg
Schulden.«
»Kennen Sie andere Freunde Ihres Sohnes?«
»Der Oliver schreibt Bewerbungen und Bewerbungen, und der Adrian
sagt, er soll stattdessen lieber seinem Chef das Haus anzünden. Aber kriegt er
davon eine Arbeit, frage ich Sie? Wenn der Chef kein Haus mehr hat, dann muss
er seine Firma zumachen, und dann gibt es noch mehr Arbeitslose!«
»Kennen Sie andere Freunde Ihres Sohnes? Oder haben Sie vielleicht
eine Idee, wo ich ihn finden kann? Arbeitet er irgendwo?«
»Richtig was gearbeitet hat der Adrian nie. Fragen Sie mich nicht,
wovon er lebt. Wohnen tut er meistens in einer von diesen Wohngemeinschaften.
Sie wissen schon, freie Liebe und Rauschgift und so weiter. Es ist so ein Elend
mit dem Jungen. Ein Elend ist das.«
Im Hintergrund hörte ich eine Männerstimme in barschem Ton etwas
rufen.
»Richtig, ja«, seufzte Frau Horstkotte. »Das hatte ich vergessen.
Eine Weile hat der Adrian mal gekellnert. In der Destiâ¦Â« Sie besprach sich kurz
mit ihrem Mann. »Irgendwas wie Destillation. Genauer weià Oliver das auch
nicht.«
Unter der Nummer der Destille meldete sich ein Mann mit
einem knappen: »Bernd?«
Im Hintergrund schepperten Getränkekästen. Der Name Adrian
Horstkotte bewirkte einen von Herzen kommenden Wutausbruch.
»Bleiben Sie mir bloà weg mit dem!«, fuhr der Wirt mich an. »Den hab
ich ewig nicht mehr gesehen, und von mir aus kann das auch so bleiben.«
»Wie lange?«
»Zwei Jahre? Drei? Der Adi hat früher bei mir gejobbt, das stimmt.
Es hat aber ständig Stress gegeben. Er hat Gäste dumm angemacht, jeden zweiten
Abend hat die Kasse nicht gestimmt, ein paar Mal hat er sogar auf meine Kosten
Runden geschmissen. Irgendwann hab ich dann gesagt, er braucht nicht mehr
kommen.«
Brauchst du brauchen ohne zu â¦
»Wer könnte wissen, wo ich ihn finde?«
Der Mann namens Bernd legte eine kurze Denkpause ein. Der Radau im
Hintergrund hatte aufgehört. Ein schwerer Diesel wurde angelassen.
»Haben Sie den Winnetou schon gefragt? Die zwei haben früher viel
zusammengehockt und gesoffen.«
»Winnetou?«
»Kennt in der Altstadt jeder. Wie der richtig heiÃt, weià kein
Mensch. Der Vorname ist Pierre, glaub ich. Vielleicht wegen Pierre Brice?«
Bernd lachte heiser und lustlos. »Sie werden ihn schon finden, den
Apachenhäuptling. Heidelberg ist ein Dorf.«
Winnetou. Vielleicht sollte ich mich doch lieber um meine Akten
kümmern? Nein, einen Versuch gab ich mir noch.
Google fiel zu Old Shatterhands Freund nichts ein, was mir weiterhalf.
Im Telefonbuch fand ich eine Schule in Wieblingen, die den Namen »Pierre et
Marie Curie« trug, und einen Rechtsanwalt namens Pierre Bruckmann gleich um die
Ecke.
Auch Facebook war ratlos. Mein Anruf beim Einwohnermeldeamt endete
um ein Haar in diplomatischen Verwicklungen.
SchlieÃlich, als allerletzten Versuch, fragte ich Sönnchen, meine
Sekretärin. Als Heidelberger Urgestein kannte sie alle und jeden.
»Winnetou?«, fragte sie verdattert.
»Vorname eventuell Pierre.«
»Es hat mal einen Pierre gegeben«, sagte sie mit krauser Stirn. »Der
hat Musik gemacht. Die
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