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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Band hat ›Die Müllmänner‹ geheißen oder ›Die Müllkippe‹
oder so ähnlich. Sie haben meistens in Kneipen gespielt, alte Sachen von den
Stones und Deep Purple. Und da hat es einen Pierre gegeben, meine ich, am Bass.
Die letzten Jahre hab ich aber keine Plakate mehr gesehen von denen.«
    Â»Dann wird das wohl schwierig.«
    Â»Wissen Sie was? Ich häng mich mal ans Telefon«, beschloss meine
unersetzliche Sekretärin, und keine zehn Minuten später hatte ich Pierre in der
Leitung. Sein vollständiger Name lautete Jean-Pierre Brasse, er war in
Luxemburg zur Welt gekommen und hatte die Musik vor fünf Jahren endgültig an
den Nagel gehängt. Heute betrieb er einen kleinen Plattenladen in Weinheim, wo
er mit zunehmendem Erfolg die guten alten Vinylscheiben verkaufte. CDs kamen
ihm nicht ins Haus.
    Â»Meine Frau«, sagte er mit einer Stimme, die nach einem bewegten
Vorleben in dicker Kneipenluft klang. »Wir haben Kinder. Zwei. Da brauchst du
ein regelmäßiges Einkommen. Und anständige Arbeitszeiten.«
    Â»Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Adrian Horstkotte.«
    Â»Adi? Den habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Das mit der
Musik hat der auch nur sporadisch gemacht. Dabei hat der Junge eine ordentliche
Bluesstimme. Aber null Disziplin. Und Musik ohne Disziplin, weißt du, das haut
nicht hin. Diese Typen denken ja alle, viel saufen und kiffen und kräftig in
die Klampfe hauen, das langt schon für die große Karriere.«
    Jean-Pierre Brasse schimpfte noch ein wenig über die heutige
Musikergeneration, die die Lust an harter, ehrlicher Arbeit verloren hatte, und
zählte am Ende einige Namen auf, die mir allesamt nichts sagten. »Vielleicht
probierst du’s mal bei Selma? Selma Mangold. Die müsste den Adi doch kennen.«
    Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht, dachte ich wütend,
während ich die nächste Nummer wählte.
    Â»Der Adi, ja klar«, sagte Selma, wie üblich atemlos. »Klar kenn ich
den.«
    Â»Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?«
    Â»Ich weiß, wo er vor einem halben Jahr gewohnt hat. In einer WG in
Eppelheim drüben ist das gewesen.«
    Sie beschrieb mir den Weg zu dem Haus. Die Wasserturmstraße nach
Norden, dann rechts in die Handelsstraße und am Ende links in die
Lilienthalstraße.
    Â»Die haben irgendwie Krieg mit dem Vermieter. Und wo es Stress gibt
mit reichen Säcken, da ist der Adi normalerweise nicht weit.«

27
    Â»Ein besetztes Haus in Heidelberg?«, wunderte sich Balke,
als wir auf dem Weg nach Eppelheim waren.
    Das Haus, das wir suchten, stand im äußersten Nordosten des
Stadtteils, eingeklemmt zwischen einem Industriegebiet und dem Autobahnkreuz.
Balke stellte den Wagen am Straßenrand ab, wir stiegen aus. Die Autobahn war
durch dichtes Gebüsch verdeckt und nicht zu sehen, dafür umso besser zu hören.
Das zweistöckige, etwas heruntergewirtschaftete Haus hätte – abgesehen von den
Fensterläden – einen neuen Anstrich vertragen können. Ein wenig wirkte es auf
mich wie die von Pippi Langstrumpf im Stich gelassene Villa Kunterbunt. Das
Gartentörchen war gut geölt, ließ sich jedoch nicht richtig schließen. In den
Ritzen des buckligen Plattenwegs eroberten sich Wiesenblumen ihren Lebensraum
zurück. Die Klingel schien nicht zu funktionieren. Ich klopfte. Sekunden später
fuhr aus einem Fenster im Obergeschoss ein schokoladeverschmiertes
Kindergesicht.
    Â»Keiner daheim!«, rief das Kind undefinierbaren Geschlechts, und das
Fenster knallte wieder zu. Innen hörte ich andere Kinder lachen. Ich klopfte
noch einmal. Trotz des Verkehrslärms hörten wir irgendwo im Haus eine Tür quietschen.
Nein, das Geräusch schien eher von der Rückseite des Hauses gekommen zu sein.
Ich wechselte mit Balke einen Blick. Mein Mitarbeiter spurtete los, links
herum. Ich lief rechts herum. Als ich die Rückseite erreichte, sah ich Balke
gerade noch ins Gestrüpp in Richtung Autobahn tauchen. Ich folgte ihm eine
Böschung hinauf, das Gesträuch war zum Glück nicht so dicht und stachelig, wie
es von ferne wirkte.
    Als ich oben ankam und abrupt von der Leitplanke gestoppt wurde, sah
ich Balke in einem lebensgefährlich aussehenden Manöver die Autobahn
überqueren. Zum Glück war der Verkehr nicht allzu lebhaft und die
Geschwindigkeit wegen einer Baustelle auf achtzig begrenzt. Ein

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