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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Gesundheit. Ihre Zähne sind zweiunddreißig Perlen von köstlichstem Schmelz in Korallenfassung. Ihre Schnute, so nennt sie den Unterteil ihres Gesichtes, hat nach Shakespeares Wort den Saft und die Frische eines Färsenmauls. Und das ist tief betrübend! Sie liebt schöne Männer, starke Männer, Adolf, August, Alexander, Gaukler und Hanswürste. Ihr Lehrer, ein scheußlicher Kassander, prügelte sie halbtot, und sie brauchte tausend Schläge, bis sie ihre Geschmeidigkeit, Anmut und Unerschrockenheit hatte.«
    »Sie sind ja berauscht von Malaga.«
    »So nennt sie sich nur auf den Anzeigen,« sagte Paz mit beleidigter Miene. »Sie wohnt Rue Saint-Lazare in einer kleinen Wohnung im dritten Stock, in Samt und Seide, und lebt da wie eine Prinzessin. Sie führt ein Doppeldasein, als Zirkusdame und als hübsches Mädchen.«
    »Liebt sie Sie?«
    »Sie liebt mich ... Sie werden lachen ... lediglich, weil ich ein Pole bin! Sie sieht die Polen stets nach dem Stich, auf dem Poniatowski in die Elster springt; denn für ganz Frankreich ist die Elster, in der niemand ertrinken kann, ein reißender Strom, der Poniatowski verschlang ... Bei alledem bin ich unglücklich, meine Gnädigste ...«
    Eine Träne der Wut, die aus Thaddäus' Augen, troff, ergriff Clementine.
    »Ihr Männer liebt das Ungewöhnliche.«
    »Und die Frauen?« versetzte Thaddäus.
    »Ich kenne Adam so gut, daß ich sicher bin, er würde mich über einer Kunstreiterin wie Ihre Malaga vergessen. Aber wo haben Sie sie getroffen?«
    »In Saint-Cloud, im letzten September, am Jahrmarktstage. Sie stand in der Ecke des mit Leinwand überspannten Schaugerüstes. Ihre Gefährtinnen, sämtlich in polnischer Tracht, machten eine schreckliche Katzenmusik. Nur sie war stumm und schweigsam; ich glaubte schwermütige Gedanken bei ihr zu erraten. Hatte sie keinen Grund dazu bei ihren zwanzig Jahren? Das hat mich gerührt.«
    Die Gräfin hatte eine köstliche Haltung eingenommen. Sie war nachdenklich, fast traurig. »Armer, armer Thaddäus!« sagte sie. Und mit der Gutmütigkeit einer wirklich großen Dame setzte sie nicht ohne ein feines Lächeln hinzu:
    »Gehen Sie! Gehen Sie in den Zirkus!«
    Thaddäus ergriff ihre Hand, küßte sie und ließ eine heiße Träne darauf fallen. Dann ging er. Nachdem er seine Leidenschaft für eine Kunstreiterin erfunden hatte, mußte er ihr auch Gestalt geben. An seiner ganzen Geschichte war nichts wahr, als die kurze Beachtung, die die berühmte Malaga, die Kunstreiterin der Familie Bouthor, in Saint-Cloud gefunden hatte. Ihr Name war ihm des Morgens auf dem Anschlag des Zirkus aufgefallen. Er hatte den Hanswurst mit einem Fünffrankenstück bestochen und von diesem erfahren, daß Malaga ein Findelkind und vielleicht gestohlen war. Thaddäus ging also in den Zirkus, um die schöne Kunstreiterin wiederzusehen. Mit Hilfe von zehn Franken erfuhr er durch einen Stallknecht, der dort die Theater-Ankleidefrauen vertrat, daß Malaga Margarethe Turquet: hieß und in der Rue des Fossés du Temple im fünften Stock wohnte.
    Am nächsten Tage ging Paz, den Tod in der Seele, nach dem Faubourg du Temple und fragte nach Fräulein Turquet, während der Sommerzeit Stellvertreterin der ersten Kunstreiterin des Zirkus und im Winter Statistin im Boulevardtheater.
    »Malaga!« schrie die Portiersfrau und stürzte nach ihrer Dachstube hinauf. »Ein schöner Herr für Sie! Er erkundigt sich grade bei Chapuzot, der ihn hinhält, damit ich Zeit habe, Ihnen Bescheid zu sagen.«
    »Danke, Frau Chapuzot. Aber was wird er sagen, wenn er sieht, daß ich meinen Rock bügle?«
    »Ach was! wenn man liebt, liebt man alles an der Liebsten.«
    »Ist's ein Engländer? Das sind Pferdeliebhaber.«
    »Nein, er sieht wie ein Spanier aus.«
    »Um so schlimmer! Die Spanier sollen in der Klemme sein ... Bleiben Sie doch bei mir, Frau Chapuzot, damit es nicht aussieht, als ob ich allein bin ...«
    »Was wünscht der Herr?« fragte die Portiersfrau, indem sie Thaddäus die Tür öffnete.
    »Fräulein Turquet.«
    »Meine Tochter,« sagte die Portiersfrau, sich aufspielend, »hier ist jemand, der dich sprechen will.«
    Der Kapitän stieß mit dem Kopf an eine Leine, an der Wäsche trocknete, und sein Hut fiel zu Boden.
    »Was wünschen Sie, mein Herr?« fragte Malaga, Pazens Hut aufhebend.
    »Ich sah Sie im Zirkus. Sie erinnerten mich an eine Tochter, die ich verloren habe, Fräulein; und aus Liebe zu meiner Héloise, der Sie auffällig ähneln, möchte ich Ihnen Gutes tun, wenn Sie
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