Die falsche Geliebte (German Edition)
Clementine aus. »Sagen Sie mir, er ist nicht leichtsinnig. Sie kennen ihn doch!«
Dieser Ausruf war großartig.
»Nun ist also der Augenblick da, wo ich unübersteigliche Schranken zwischen uns aufrichten muß,« dachte der arme Paz und sann über eine heroische Lüge nach. »Gutes?« ... wiederholte er laut. »Ich liebe ihn zu sehr, Sie würden es mir nicht glauben. Ich bin unfähig, etwas Schlechtes von ihm zu sagen. Also ... ist meine Rolle zwischen Ihnen beiden recht schwierig.«
Clementine senkte den Kopf und blickte auf die Spitzen von Pazens Lackschuhen.
»Ihr Nordländer habt nur körperlichen Mut,« murmelte sie. »Es fehlt euch an Konsequenz in euren Entschlüssen.«
»Was wollen Sie allein tun, Gräfin?« fragte Paz mit der Miene vollkommener Harmlosigkeit.
»Wollen Sie mir nicht Gesellschaft leisten?«
»Verzeihen Sie, wenn ich gehe ...«
»Wie! Wohin gehen Sie?«
»Ich gehe in den Zirkus. Heute ist die erste Vorstellung in den Champs Elysees. Ich darf nicht fehlen ...«
»Warum?« forschte Clementine mit fast wütendem Blick.
»Muß ich Ihnen mein Herz öffnen?« entgegnete er errötend. »Muß ich Ihnen anvertrauen, was ich meinem lieben Adam verhehle? Denn er glaubt, ich liebte nur Polen.«
»Ach, ein Geheimnis bei unserm edlen Kapitän?«
»Eine Gemeinheit, die Sie begreifen und über die Sie mich trösten werden.«
»Sie gemein? ...«
»Ja, ich, Graf Paz, ich bin toll verliebt in ein Frauenzimmer, das mit der Familie Bouthor durch Frankreich zog. Das waren Zirkusbesitzer nach der Art des Zirkus Franconi, aber sie verdienten ihr Geld nur auf Jahrmärkten. Ich sorgte dafür, daß sie vom Olympia-Zirkus engagiert wurde.«
»Ist sie schön?« fragte die Gräfin.
»Für mich, ja,« entgegnete er schwermütig. »Malaga – so lautet ihr Künstlername – ist kräftig, behend und geschmeidig. Warum ich sie allen Frauen der Welt vorziehe ? Wahrhaftig, ich vermag es nicht zu sagen. Wenn ich sie sehe, die schwarzen Haare von einem blauen Atlasband zusammengehalten, das auf ihre bloßen olivengelben Schultern herabfällt, in einer weißen Tunika mit goldner Borte und in einem Seidentrikot, das sie zur lebenden griechischen Statue macht, an den Füßen gestreifte Atlasschuhe, wie sie dann mit Fahnen in der Hand beim Klange der Militärmusik durch einen riesigen Reifen springt, dessen Seidenpapier in der Luft zerreißt, wenn das Pferd in gestrecktem Galopp unter ihr wegeilt und sie mit Anmut wieder auf seinen Rücken fällt, wenn das ganze Volk ohne bestellte Klaque Beifall klatscht ... ja, das packt mich.«
»Mehr als eine schöne Frau auf dem Ball?« fragte Clementine mit herausfordernder Überraschung.
»Ja,« antwortete Paz mit erstickter Stimme. »Diese wunderbare Behendigkeit, diese beständige Anmut in beständiger Gefahr scheint mir der schönste Triumph einer Frau ... Ja, meine Gnädigste, die Cinti und Malibran, die Grisi und Taglioni, die Pasta und die Eißler – alles, was auf den Brettern herrscht oder geherrscht hat, scheint mir unwert, Malaga das Schuhband zu lösen – ihr, die im rasendsten Galopp vom Pferde springt und sich wieder hinaufschwingt, die sich links herunterläßt, um rechts wieder aufzuspringen, die das wildeste Pferd wie ein weißes Irrlicht umschwirrt, die auf einer Fußspitze stehen kann und sitzend, mit herabhängenden Beinen, auf den Rücken des galoppierenden Pferdes fällt, die auf einem ungezäumten Renner steht und dabei strickt, Eier zerschlägt und zur tiefsten Bewunderung des Volkes, des wahren Volkes, Bauern und Soldaten, einen Eierkuchen bäckt! Einst trug diese reizende Kolombine bei der Schaustellung Stühle auf ihrer Nasenspitze, der schönsten griechischen Nase, die ich sah. Malaga, meine Gnädigste, ist die Geschicklichkeit selbst. Sie hat die Kraft eines Herkules und kann sich mit ihrer zierlichen Hand oder mit ihrem kleinen Fuß drei bis vier Männer vom Leibe halten. Kurz, sie ist die Göttin der Gymnastik.«
»Sie muß stumpfsinnig sein ...«
»Oh!« entgegnete Paz, »unterhaltend wie die Heldin in ›Peveril du Pic‹! Sie ist sorglos wie eine Zigeunerin, sagt alles heraus, was ihr gerade einfällt, sorgt sich um die Zukunft soviel wie Sie um die Heller, die Sie den Armen hinwerfen, und sie hat herrliche Einfälle. Nie wird man ihr beweisen, ein alter Diplomat sei ein schöner junger Mann; eine Million würde sie nicht dazu bekehren. Ihre Liebe ist für einen Mann eine dauernde Schmeichelei. Sie ist von wahrhaft unverschämter
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