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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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wert.«
    »Immerhin bist du von dort und hast ein Vierteljahrhundert dort gelebt.«
    »Ich habe dort Medizin studiert, zwei Jahre in der Notaufnahme vom Landspítali und bei Stígamót gearbeitet, hatte vier Männer, alles Schlappschwänze, Säufer oder beides, hatte eine Abtreibung und dann bin ich nach Schweden. Island bot mir keine Möglichkeiten mehr, mich weiter zu entfalten.« Sie grinste.
    »Hier kannst du es offenbar.« Ihm kam immer mehr der Verdacht, dass er auf dieses Zusammentreffen nicht optimal vorbreitet war. Anscheinend hatte ihr der Vater in der Pubertät zu wenig Angriffsfläche geboten. Kjell war froh, dass er nicht dabei gewesen war.
    »Stiechamout?«, fragte Sofi.
    »Da kannst du anrufen, wenn du mal von einem Eisbären vergewaltigt wirst.« Sie lachte wild.
    Sofi reagierte nicht darauf und machte sich eine Notiz. »Werde ich mir merken.«
    »Nach meiner Flucht hierher habe ich zuerst zwei Tage in der Notaufnahme vom Söder zur Probe gearbeitet. Dort habe ich knapp fünfzig Jungschweden und Jungschwedinnen den Magen ausgepumpt. In Stockholm schaut ja jeder zwischen dreizehn und zweiundzwanzig Jahren am Wochenende mal zum Magenauspumpen in der Notaufnahme vorbei.«
    »Manche trinken gern mal was am Wochenende«, bemerkte Kjell. Er wollte Sesselja gerne einmal beim Arbeiten zusehen. Sie war bestimmt gut im Wiederbeleben. Sie hätten die Ärzte nicht so drängen sollen, Sesselja für verhörfähig zu erklären. Die Kaffeekanne war leer gewesen, nachdem er die beiden Tassen eingeschenkt hatte. Sesselja musste die anderen zehn Tassen getrunken haben, während sie gewartet hatte. Deshalb war sie bestimmt so.
    »Wisst ihr, was euch Schweden fehlt?«
    »Tankstellen«, sagte Sofi, ohne vom Block aufzublicken. »Innerhalb der Zollgrenzen gibt es fast keine. Ich muss immer nach Gröndal.«
    »Du fährst nach Gröndal zum Tanken?«, staunte Kjell.
    Sofi nickte. »Ja. Immer nach Gröndal.«
    »Warum fährst du nicht in die Unterirdische am Slussen oder unten bei der Folkungagatan. Da hast du es doch nicht weit.«
    »Mach ich auch manchmal.« Sofi notierte sich Slussen auf ihren Block und unterstrich es zweimal.
    »Das ist typisch für euch«, mischte sich Sesselja ein. »Genau so seid ihr. Euch fehlt ein verlorener Krieg oder wenigstens eine Hungersnot. Das hat euch zu chauvinistischen Ignoranten gemacht.«
    Kjell wollte jetzt gerne auf einer Wiese im Schatten liegen, kitzelnde Grashalme spüren und den Hummeln lauschen, und Sofi wollte das bestimmt auch. Wie Sesselja wohl zu anderen Zeiten war? Er entwickelte eine Ad-hoc-Theorie, warum die Männer in ihrem Leben alle mit dem Trinken begonnen hatten. Bestimmt lagen harten Wochen hinter ihr. Und jetzt entluden sie sich. Er schüttelte den Kopf.
    »Da siehst du’s«, sagte Sesselja.
    Kjell sah, wie Sofis Stenostriche sich verdickten, weil sie so fest aufdrückte. Das konnte beim Abtippen später große Konfusion verursachen.
    »So wie ihr, die Isländer«, erwiderte Kjell.
    »So wie wir, aber Chauvinisten sind wir nicht. Wir sind nur Schlappschwänze.«
    Sofi grinste, ohne aufzuschauen. Kjell schloss die Augen. Doch als er sie wieder aufmachte, war er immer noch in dieser Barbarenrede gefangen. Die römischen Geschichtsschreiber ließen den soeben besiegten Barbarenfürsten im Anschluss an die Schlacht immer noch eine zweistündige Rede vor versammelter Mannschaft halten. Dabei legte der Geschichtsschreiber all seinen Groll auf Rom in den Mund des Barbaren, weil es ihn als Römer nicht anders zierte. Ein mäßig talentierter Geschichtsschreiber musste diese Rede hier verfasst haben.
    Sofi sah auf. »Sesselja. Ich verstehe, dass du traurig bist. Wir haben das Mädchen heute Morgen gesehen, und uns geht es auch nicht gut. Du musst uns jetzt helfen. Wir brauchen dich, um herauszufinden, was passiert ist, verstehst du?«
    Sesseljas suchende Augen und ihr ganz auf Wahrnehmung ausgerichtetes Gehirn erstarrten von einer Sekunde auf die andere. Sie bewegte sich nicht mehr und saß minutenlang schweigend da. Tränen kamen und tropften irgendwann von ihrem Kinn herab. Das befreiende Vorspiel war hier zu Ende.

13
    Gösta Edholm lehnte im Rahmen seiner Wohnungstür. Es sollte lässig wirken, doch Gösta wollte sich damit zu einem Hindernis machen und Barbro davon abhalten, auch nur einen Blick in seine Wohnung zu bekommen.
    Oben im zweiten Stock war das Treppenhaus alles andere als angenehm kühl. Vom alten Holz der Treppe und dem Staub schmeckte die Luft trocken und

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