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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Klo versteckt, soweit man dabei von Verstecken sprechen kann. Das Klo liegt die Treppe runter. Der Schlüssel fehlt. Wie lange schon, weiß der Nachbar nicht. Aber du hast das Türschloss ja selbst gesehen. Wenn man die Tür hochhebt, kann man den Riegel auch ohne Schlüssel über den Bolzen schieben.«
    »Du weißt es also nicht.«
    Per grinste. »Lasse ist mit dem RC-Strahler rein. Am Kleiderschrank und bei der Kommode hüpften die Fasern noch wie Glühwürmchen in der Luft.«
    »Wie lange dauert es, bis sich der Staub wieder legt?« »Muss ganz frisch gewesen sein. Nicht länger als drei Stunden. Der Kleiderschrank, diese Kommode da und vielleicht auch der Flügelkasten. Eine hübsche systematische Suche kannst du es nennen.«
    »Das ist ganz schön viel. Danke, dass du gekommen bist.«
    »Es gibt noch mehr: In dieser Wohnung wird seit Tagen nicht mehr gewohnt.«

12
    »Habt ihr verschlafen? Es ist fast Mittag.«
    So wurden sie von Sesselja Ragnarsdóttir empfangen. Ihr Schwedisch klang, als schlüge der Blitz in eine Birke ein. Eine Schönheit war Sesselja Ragnarsdóttir mit ihrem runden Gesicht nicht. Die Haut war von einer lebenslänglichen Blässe, durch die man an den Innenarmen türkisfarbene Äderchen schimmern sah. An den Stellen, die an Tagen der Freiheit der Sonne ausgesetzt gewesen waren, leuchtete ihre Haut ein wenig orange. Es gab an ihr überhaupt nichts Dunkles, ihre Haare waren licht und ihre Augen saphirblau.
    Kjell griff instinktiv nach der Thermoskanne und goss die beiden leeren Tassen voll. Zum Glück war es Kaffee. Sofi kramte in ihrer Tasche und legte einen Block, einen Stift und ihren Rekorder auf den Tisch. Sesselja Ragnarsdóttir verfolgte das Treiben interessiert.
    »Was wollt ihr eigentlich hier?«
    Kjell nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Der Kaffee schmeckte bitter. Die Frau schien jetzt abzuwägen, ob es sich hier um eine geschickte Verhörtaktik handeln konnte, dabei plante Kjell eine schlichte Befragung. Sesselja Ragnarsdóttir gehörte zu den Menschen, die den Eindruck erweckten, als wüssten sie alles und könnten alles durchschauen. Eines wusste sie jedoch noch nicht. Sie wusste nicht, dass das tote Mädchen nicht Josefin war.
    »Wie kommst du darauf, dass wir verschlafen haben?«
    Sie zeigte auf den schwarzen Kaffee in seiner Tasse.
    »Wie ist dein Anwalt?«
    »Er ist nicht mal schlecht. Was auch kein Wunder ist, denn die Stümper werden alle als Isländer geboren.«
    Sofi lächelte irritiert.
    Sesselja musterte Sofi. »Du hast deine Tochter mitgebracht.«
    »Glaube kaum«, sagte Kjell und nippte von seinem Kaffee. »Meine Tochter würde in den Ferien nicht vor dem Mittagessen aufstehen.«
    »Bist du Schwedin?«
    Sofi nickte.
    »Siehst gar nicht aus wie eine.«
    Sofi griff reichlich unsouverän nach ihrer Tasse. »Ein Braunbär hat meine Mutter beim Pilzesammeln vergewaltigt«, sagte sie nach zwei Schlucken.
    Sesselja war für einen Augenblick sprachlos, so wie Kjell. Dann lachte Sesselja laut. Ihr Lachen war tief und rasselte.
    »Warst du schon einmal in Untersuchungshaft?«, fragte Sofi. »Weil du so viel über Anwälte weißt.«
    »Ich war schon zweimal in Untersuchungshaft. In Island.«
    »Zweimal? Warum?«
    »Was weiß ich! Das ist die einzige Möglichkeit, wie sie dort die Leute dazu bringen können, nicht sofort auszureisen.«
    Sesselja konnte alles auf Schwedisch sagen, auch wenn ihre Sätze lauter Wortstellungsfehler enthielten.
    »Sesselja«, versuchte Kjell es in väterlichem Ton. Er hatte mal irgendwo gelesen, dass die Isländerinnen alle auf ihre Väter fixiert waren. »Du bist Ausländerin, und es handelt sich um ein Verbrechen, auf das mehr als zwei Jahre Gefängnis stehen. Wir mussten deshalb Haft beantragen, bis wir etwas finden, das dich als Täterin ausschließt. Alles, was Sofi und ich tun, hilft dir, so schnell wie möglich entlassen zu werden. Du willst ja bestimmt auch, dass dein Leben wieder weitergeht.«
    Sesselja trank den letzten Schluck aus ihrer Tasse, löste aber nicht den Blick von ihm. Dann stellte sie die Tasse behutsam ab. »Dauðir eru dauðs manns vinir.«
    Kjell schwieg und wartete auf die Übersetzung. Sesselja öffnete ihre Hände. Ihr Alter ließ sich richtiger an ihren Fingern als ihrem Gesicht ablesen. Sie wurde bald dreißig und wollte nichts übersetzen.
    »Erzähl mir, was du in Island gemacht hast und wie es dich zu uns nach Stockholm verschlagen hat.«
    »Ich fange gleich in Schweden an, ja? Island ist nicht der Rede

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