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Die Falsche Tote

Titel: Die Falsche Tote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Vertreter aufgebrochen. Kjell öffnete die Mappe, in der sich das neunseitige Fax von Henning befand, weil er wusste, dass die Neuigkeit sie das peinliche Erlebnis sogleich vergessen lassen würde. Er schwieg, während sie kauend die körnigen Fotos der Leiche studierte und den Text entzifferte. Sie las den Obduktionsbericht ganz sorgfältig.
    »Also ein Doppelmord«, schloss sie. »Zwei identisch ausgeführte Morde. Aber hier steht der Text auf dem Körper, während er bei der Toten auf Zetteln steht. Woher wissen die denn, dass es Aisakos ist?«
    »Das liegt ja nahe, ein Doppelmord an Aisakos und Hesperia. Jedenfalls sieht es so aus, als sollte dieses Bild erzeugt werden.«
    »Aber dann muss doch die Geschichte von Aisakos und Hesperia irgendeine Bedeutung haben.«
    »Mir fällt aber nichts ein. Es ist eine Liebesgeschichte. Immerhin ist die mythische Hesperia auf der Flucht vor Aisakos, der in sie verliebt ist. Dabei wird sie von einer Schlange gebissen und stirbt. Aus Gram stürzt sich Aisakos von einem Felsen und wird in einen Tauchvogel verwandelt. So steht es in Ovids Metamorphosen.«
    »Die Tote ist jedoch auch gestürzt, ebenso wie Aisakos. Das passt also nicht zur Geschichte. Nur Josefin kann Hesperia sein.«
    »Aber sie hat den Brief ja nicht geschrieben, der mit diesem Namen unterzeichnet ist. Den hat die Tote geschrieben.«
    Sofi zog Josefins Arbeit aus der Tasche, die sie dort seit Tagen zusammengerollt spazieren trug. »Du sperrst dich gegen den Gedanken, dass Josefin in die Tat verwickelt ist. Aber sie ist die Einzige, die nachweislich über das mythologische Knowhow verfügt. Weißt du schon, woher der Text stammt?« Sie deutete auf das Obduktionsfoto.
    »Das werde ich heute herausbekommen.«
    »Wie gehen wir vor?«
    »Du arbeitest die Liste von Mäusler ab, ich verbringe den Tag in der Bibliothek.«

39
    Als die Straßenbahn zwischen Gröndal und Essingen kurz im Steinmassiv abtauchte, konnte Inspektor Henning Larsson seine gekämmten Haare in der dunklen Scheibe beobachten. Er war ganz allein mit dem Fahrkartenkontrolleur. Die meisten waren in Liljeholmen in die U-Bahn umgestiegen. Als er in Essingen ausstieg, konnte er vom Bahnsteig aus auf den Essingefjärden blicken. Vom Ausgang waren es nur ein paar Schritte bis zu den fünfstöckigen Wohnhäusern am Ufer. Noch am Abend des Mordes hatte man Josefins Nachbar nach den ersten Verhören hierhergebracht.
    Bo Eriksson riss die Tür auf. Eine so strahlende Miene hatte Henning nicht erwartet.
    Bo gehörte zu den Menschen, in deren Gegenwart man sich sogleich entspannte. Er war sechsundvierzig und hatte langes blondes Deckhaar mit einigem Grau darunter. Auf seiner Haut schimmerten rosa Flecken, und unter den Augen gab es viele Fältchen.
    Henning präsentierte seinen Ausweis.
    »Komm rein«, sagte Bo ein wenig laut und stöhnte vor Wohlbehagen. »Ich hab gerade Kaffee.«
    Henning schmunzelte und folgte Bo in die Wohnung.
    »Sieh dir diese Pracht an!«, Bo vollführte eine Fremdenführergeste, die die luxuriöse Einrichtung mitsamt der Fensterfront und dem Panorama umschloss. »Man kann aufstehen, auf den Balkon gehen und ins Wasser pinkeln.«
    »Herrlich«, bestätigte Henning.
    Sie nahmen auf dem Balkon Platz. Bo besorgte den Kaffee und ließ sich dann auf dem Stuhl nieder.
    »Ich dachte, du vertrocknest hier.«
    Bo lachte. »Ich muss doch wohl nicht ausziehen?«
    »Du kannst gern noch bleiben.«
    »Ist das eigentlich so eine Tarnwohnung, wo ihr Kronzeugen versteckt?«
    »So ähnlich.«
    Es war eine normale Staatswohnung. Zuletzt hatten hier zwei bulgarische Staatsanwältinnen gewohnt, die ein halbes Jahr im Anklagezentrum Stockholm auf EU-Standard getrimmt worden waren.
    »Ich habe nur einige Fragen«, begann Henning und öffnete seine Mappe. »Hier gibt es eine widersprüchliche Information. Einerseits heißt es, du arbeitest in einer Werbeagentur, dort heißt es, du seiest arbeitslos.«
    »Weder noch, Henning. Ich habe letzte Woche gekündigt und war gerade dabei, mir ein schönes Urlaubsziel auszusuchen, als ihr mich hierhergebracht habt. Ich hab die ganze Zeit nur geschlafen.«
    Bo fischte eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche seines Hemdes und hielt sie Henning hin. Die Marke wirkte ungesünder als ein Heizkraftwerk, aber Henning griff trotzdem zu.
    »Ducados aus Spanien. Ziehen einem die Schuhe aus. Falls man welche trägt. Deswegen trage ich keine.«
    Henning nahm einen Zug. »Früher habe ich Gitanes geraucht, aber die hier sind

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