Die Falsche Tote
weil die Hammarbyer auf der Tribüne randaliert haben.«
Henning zeichnete zwei Markierungen auf seiner Zeitleiste ein. Das stimmte alles. Es gab keinen Widerspruch, außer dass Oskar nicht allein im Treppenhaus gewesen war. An die Kleidung konnte sich Bo nicht mehr erinnern.
Henning dankte und legte auf. Dann ging er zum Fenster und sah hinunter auf den Park. Ein weiterer Mann. Das konnte natürlich etwas ganz Harmloses gewesen sein. Aber dennoch bestätigte sich, was sie bei der Besprechung am Sonntag vermutet hatten: Es gab einen zweiten Mann.
42
Linda presste die Lippen aufeinander, weil die Fußmatte so pikte. Sie sprang auf und rieb sich die Knie. Der Schlüssel passte nicht, sie hatte alles versucht. Es konnte nicht daran liegen, dass Barbro das Schloss am Abend zuvor geöffnet hatte; der Schlüssel war viel zu dick für das Schloss. Jetzt erlosch auch noch das Treppenhauslicht. Linda tappte nach dem Schalter und starrte dann auf die verschlossene Tür. Sie musste jetzt gut nachdenken. Amelie war seit ihrem letzten Besuch mit Barbro nicht hier gewesen. Der Zettel klemmte immer noch im Spalt der Tür.
Götgatan hatte Amelie dem Anrufer am Telefon gesagt. Götgatan 124. Linda war sich nicht sicher, ob sie sich richtig erinnerte. Aber die Zahl 4193 wusste sie noch ganz genau. Das konnte nur der Türcode sein. Amelie hatte jedoch nicht gesagt, wann sie sich mit dem Anrufer dort treffen wollte. Jetzt war es neun. Linda hängte sich ihre Tasche um den Hals und ging zur Treppe. Die Tasche hatte Cissi ihr genäht. Sie bot Platz für den großen Skizzenblock und alle Utensilien. Beim Gehen hing sie ihr bequem über dem Rücken. Rennen konnte sie damit jedoch nicht, weil die Tasche schräg hing, und ihr dann die Ecken des Skizzenblocks abwechselnd gegen das Steißbein und ihre Halswirbel stießen. Cissi fand das überhaupt nicht schlimm und behauptete, das bei der Planung bedacht zu haben. Das feite sie vor der Dummheit, Männern hinterherzulaufen.
Linda erreichte das Stadthaus und musste nur drei Minuten warten, bis der Dreier die Hantverkargatan heruntergerast kam. Am Slussen stieg sie aus, weil sie überhaupt nicht wusste, auf welcher Höhe die Nummer 124 lag. Die Götgatan reichte ja vom Nord- bis zum Südende von Söder. Sie erklomm die kleine Anhöhe bis zu der Stelle, wo die Straße begann. Als sie sah, dass das erste Haus die Nummer 10 trug, seufzte sie. Das war wieder typisch für sie. Sie würde bis zum Medborgarplatsen laufen müssen.
Aber diesen nördlichen Teil der Götgatan mochte sie gerne, weil hier keine Autos fuhren und um diese Zeit viele Menschen auf der Straße an all den Geschäften und Cafés vorbeischlenderten. Der Medborgarplatsen war wie immer voller Mitbürger; um diese Zeit waren das vor allem junge Mädchen, die kreischend auf das Kino zusteuerten. Unter den ganzen rotleuchtenden Reklameschildern hatte sie Mühe, ein Hausnummernschild zu finden. Sie war erst bei 50 angelangt. Dann müsste 124 ja ganz am Südende liegen! Aber sicher war es nicht. Hinter dem Platz veränderte sich die Straße nämlich. Sie wurde breiter und immer ungemütlicher. Da konnten die Nummern viel rascher aufeinanderfolgen als bisher. Linda lief lieber weiter. Vor den Lokalen hatten die Türsteher begonnen, den Teppich auszurollen und die Absperrbänder für die Schlangen aufzustellen, die sich bald bilden würden. Vor den Geldautomaten hatten die Schlangen aber schon eine Länge von mindestens drei Menschen erreicht.
Um kurz vor zehn war die Götgatan zu Ende. Linda hatte Skanstull, das Südende von Södermalm erreicht. Ratlos stand sie an der Kreuzung und sah sich um. Sie war etwa auf der richtigen Höhe, aber wo war Nummer 124? Der letzte Block war das Ringen-Einkaufzentrum. Auf der anderen Straßenseite sah sie Leute auf den Dreier warten. Sie hätte vorhin einfach im Bus sitzen bleiben und hier aussteigen können, dann wäre sie jetzt nicht erschöpft und durchgeschwitzt. An der Ecke vom Ringen lag ein Zeitungsladen, da konnte sie fragen. Linda holte sich eine Cola aus dem Kühlschrank und fragte beim Bezahlen nach Nummer 124.
»Das ist hier«, sagte der Mann und deutete hinter sich, zu den Zigaretten.
»Aber das ist doch ein Einkaufszentrum. Die letzte Nummer war 100.«
»Das Einkaufszentrum ist nur hier im Erdgeschoss. Du musst zurück zum Eingang 100 und dort die Treppe nehmen. Die höheren Nummern haben ihre Eingänge alle im Innenhof.«
Der Mann hatte recht. Bei Nummer 100 wies ein kleines Schild
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