Die Falschmünzer vom Mäuseweg
Vorteil.
Maschine Nummer Eins bog in die
Burgstraße.
Otto und Flori folgten.
Es war eine heruntergekommene
Gegend. Lagerhäuser, Schuppen und abbruchreife Gebäude mischten sich bunt
durcheinander.
Die Ledertypen fuhren in eine
Toreinfahrt, parkten die Maschinen auf einem überdachten Abstellplatz hinterm
Haus und gingen zum rückseitigen Eingang.
Krummbein trug einen Beutel,
der Beute enthielt.
Das Haus war alt und verkommen,
aber zweigeschossig. Sieben Räume reichten für Rotschopf, Krummbein, Raubvogel,
Flori und — den Boss.
Sie traten in einen muffigen
Flur. Licht brannte. Hinter einer Tür ertönten Stimmen. Aber die kamen aus dem
Fernsehapparat.
Gernot, der Rotschopf, klopfte
an. Einfach hineinzugehen, hätte er nie gewagt. Der Boss konnte saugrob werden.
»Kommt rein!«, rief eine
gereizte Stimme.
Der Raum, den sie betraten,
enthielt nur ein Feldbett mit schmuddeligen Decken, eine Batterie leerer und
voller Schnapsflaschen und einen großen, teuren Fernsehapparat. Der stand in
der Ecke.
Edwin Kowalske, auch
Finger-Eddy genannt, weil ihm der rechte Ringfinger fehlte, lag auf dem
Feldbett.
Ohne den Blick von der
Mattscheibe zu nehmen, fragte er: »Hat sich’s gelohnt?«
»Na ja«, meinte Otto. »Wie
man’s nimmt. Eigentlich wollten wir ja nur ein bisschen rumkutschen. Immerhin
haben wir drei Handtaschen. Eine aus Krokoleder, ne goldene Puderdose ist drin.
Und ein Drehbleistift. Leider kein Zaster.«
Die 250 Mark aus Frau
Sauerlichs Portmonee unterschlugen sie. Denn Kowalske hielt sie knapp. Unter
Teilen verstand er, dass von jedem Hunderter 70 Mark ihm gehörten — obwohl er
nur die Pläne machte und die risikoreichen Überfälle seinen vier
Handtaschenräubern überließ.
Kowalske war um die 40, ein
derber Kerl mit gemeinem Gesicht. Das rechte Auge schielte nach außen. Man
wusste nie, wohin er sah. Er hatte einen schweren Kiefer und schlechte Zähne.
Sein Kahlschädel verstärkte den rohen Eindruck. Das wusste er. Es ärgerte ihn.
Und er hasste seine Glatze. Heimlich probierte er jedes Mittel aus, das dem
Haarwuchs nützlich sein sollte. Aber da es bekanntlich kein wirklich wirksames
Mittel gegen Haarausfall gibt, blieb sein Mühen erfolglos.
Wenn er das Haus verließ, trug
er immer eine blonde Lockenperücke. Auf erhebliche Entfernung sah er damit
halbwegs manierlich aus. Aus der Nähe konnte es einem grausen. Gesicht und
Engelslocken passten einfach nicht zusammen.
Er war vorbestraft wegen
allerlei Delikte — ein Gewohnheitsverbrecher.
Die vier Ledertypen gehorchten
ihm — beinahe — bedingungslos.
Florentine Huber stammte aus
der Stadt — aus üblem Milieu. Ihre Mutter war mit einem anderen Mann
durchgebrannt. Ihr Vater war ein Trinker. Sie war seit einem halben Jahr nicht
mehr zu Hause gewesen; und der »Alte« hatte nie nach ihr gesucht. Jetzt wohnte
sie hier.
Gernot Plasch, der Rotschopf,
hatte seine Eltern noch — ließ sich aber nicht bei ihnen blicken. Seine
kriminelle Neigung hatte sich schon vor Jahren gezeigt. Einen Schulabschluss zu
machen, war ihm nicht im Traum eingefallen. Jugendliche, die sich eine
Lehrstelle suchten, hielt er für doof. Er wollte Kohle (Geld) machen —
so viel wie möglich, so rasch wie möglich und so bequem wie möglich. Dass
Handtaschenraub und Überfälle auf Bankboten einträglich waren, hatte Kowalske
ihm beigebracht.
Fritz Zoppig, Krummbein, und
Otto Bruchdrexl, der mit dem Raubvogelgesicht, waren Anfang August aus einem
Fürsorgeheim geflohen. Sie hatten bereits so viel auf dem Kerbholz, dass ihre
Verbrecherkarriere, wenn sie fortgesetzt wurde, eines Tages eindrucksvoll sein
würde.
Der Fernsehfilm war zu Ende.
Kowalske betätigte die
Fernbedienung, schaltete den Apparat aus, nahm einen Schluck aus der Flasche
und ließ sich zurücksinken.
Die vier Ledertypen hatten sich
auf den Boden gehockt. Wen von ihnen er ansah, wusste keiner genau.
»Wie siehst du denn aus,
Gernot?«
»Wieso?«
»Frag nicht so dämlich! Dein
Gesicht ist geschwollen.«
»Ach so. Rickemann, der
Briefträger, hat mich erwischt, als ich seine Autoantenne knicken wollte. Hat
mir eine geschmiert.«
»Weshalb lässt du dich
erwischen! Eigene Schuld!«
Kowalske hatte die Beute überprüft.
Er war nicht zufrieden. Achtlos ließ er zwei einfache Handtaschen zu Boden
fallen. Mit Frau Sauerlichs Krokodilledertasche beschäftigte er sich
ausführlich. Aber ein fetter Happen war auch das nicht.
»Kein Geld?«
Wie auf Kommando schüttelten
die vier den
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