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Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Titel: Die Falschmünzer vom Mäuseweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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betastete er sein
Genick.
    »In 22 Dienstjahren ist mir das
noch nicht passiert. Was war denn eigentlich los? Hat mich das Motorrad
angefahren? Wo ist denn meine Tasche?«
    Entgeistert blickte er umher.
Aber da lagen nur zwei Ansichtskarten und zwei Reklame-Postwurfsendungen eines
Fernlehrinstituts.
    »Es war ein Überfall«, sagte
Gaby aufgeregt. »Ich konnte alles sehen. Zwei Räuber — bestimmt die
berüchtigten Handtaschenräuber — haben Sie hinterrücks niedergeschlagen und
Ihre Posttasche mitgenommen.«
    »Waaaas? Meine Tasche? Sind die
übergeschnappt?«
    »Sie sind der Geldbriefträger,
ja? Ist viel Geld in der Tasche?«
    »Gar nichts! Nur drei
Postanweisungen hatte ich dabei. Aber das Geld, das ich auszahle, habe ich in
meiner Brieftasche, und die...«
    Er hielt inne, griff rasch in
seine Jacke und seufzte erleichtert.
    »Die haben sie nicht. Na, so
was!«
    »Geht’s schon besser?«, fragte
Gaby. Denn er sah ziemlich blass aus und stand immer noch wackelig.
    »Ja, schon. Der Kopf tut mir
weh. Aber das gibt sich. Du hast es also gesehen. Und kannst die Täter
beschreiben, ja? Himmel, mindestens 200 Briefe sind in der Tasche. Ganz normale
Briefe. Ist doch völlig wertlos für die. Was wollen die damit?«
    »Wir müssen die Polizei
verständigen«, sagte Gaby.
    »Richtig, kleines Fräulein.«
    Er sammelte den kümmerlichen
Rest seiner Post ein, wusste nicht, wohin damit, und stopfte sie schließlich in
die Außentasche seiner Uniformjacke. Dann holte er sein Rad und schob es zum
Zaun.
    Gaby hatte dort ihr Klapprad
schon abgestellt. Zurückgesetzt von der Straße, stand ein Bungalow im
winterlich verschneiten Garten. Sie klingelte. Aber erst nach dem dritten Mal
näherten sich Schritte — Holzlatschenschritte — aus den rückwärtigen Räumen.
    Eine junge Frau öffnete. Sie
trug Jeans und T-Shirt, stand mit nackten Füßen in Gesundheitssandalen, hatte
etwas Mehl an Unterarmen und auch am T-Shirt. Offensichtlich war sie mit
Weihnachtsbäckerei beschäftigt. Im Hintergrund sang ein Kinderchor »Süßer die
Glocken nie klingen...«, aber dieser Gesang kam natürlich von einer
Schallplatte, einer Kassette oder aus dem Radio.
    »Guten Tag! Entschuldigung,
aber«, sagte Gaby, »eben wurde der Briefträger von zwei Räubern überfallen. Wir
müssen die Funkstreife verständigen. Dürfen wir bei Ihnen telefonieren?«
    »Wie? Überfall? Hier? Nein!«
Aus großen Kuhaugen sah sie an Gaby vorbei. »Doch nicht etwa Sie, Herr
Rickemann?«
    »Doch, Frau Schreyer. Die Welt
wird immer schlechter!«, hörte Gaby seine Antwort. »In 22 Dienstjahren ist mir
das nicht passiert!«
    Frau Schreyers
Vorweihnachtsstimmung erhielt einen traurigen Dämpfer, als sie vom ganzen
Ausmaß dieser Gemeinheit erfuhr. Und das ausgerechnet vor ihrer Tür! Sie
äußerte sich mitfühlend, aber dann fiel ihr gleich die eigene Sicherheit ein.
Jetzt — aus diesem Anlass — , meinte sie, werde ihr Mann sicherlich nicht
länger zögern, die teure Alarmanlage für das Haus zu kaufen und anbringen zu
lassen. Wisse man denn, ob dieses Räubergesindel nicht auch Einbrüche plane!
    Dann rief sie: »O je! Meine
Anisplätzchen brennen an.« Sie lief in die Küche.
    Währenddessen hatte Gaby
telefonisch die Funkstreife verständigt. Die Nummer wusste sie auswendig, was
von der 13-jährigen Tochter eines Kripo-Kommissars nicht zu viel verlangt ist.

    Frau Schreyer hatte ihre
Plätzchen gerettet und brachte einen Teller voll — noch ofenwarm.
    Alle probierten, während sie
auf die Funkstreife warteten. Gaby und Herr Rickemann lobten das Gebäck, aber
Frau Schreyer meinte, so gut wäre es diesmal nicht gelungen. Doch das war
vorgegebene Bescheidenheit.
    Gaby erzählte ausführlich, was
sie als Augenzeugin erlebt hatte. Wenig später berichtete sie den Beamten der
Funkstreife, die den lückenlosen Bericht aufnahmen und Gabys Vermutung
bestätigten, es handele sich um die berüchtigten Handtaschenräuber.
    Der eine fragte dann, ob sie
die Tochter vom Kommissar Glockner sei. Und als Gaby bejahte, meinte er: »Aha!
Deshalb! Die scharfe Beobachtungsgabe hat sich offenbar vererbt.«
    Sie erboten sich, Paul
Rickemann — auch er hatte seinen vollständigen Namen angegeben — ins
Krankenhaus zu fahren. Aber er wollte erst ins Postamt zurück und dort Meldung
machen.
    Gaby wurde nicht mehr benötigt.
Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass auch die dritte Schulstunde
gleich beendet war. Allerdings — was sie als Entschuldigung Vorbringen konnte,
wog

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