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Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Die Falschmünzer vom Mäuseweg

Titel: Die Falschmünzer vom Mäuseweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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darüber hinweg.
    »Eigentlich habe ich das nicht
vor, Frau Müller. Eins nach dem andern. Und zuerst mal die Schule.«
    »Das ist richtig, Gaby«, meinte
Frau Müller und verließ den Laden.
    »Ich fahre jetzt, Mami.«
    Frau Glockner war unverkennbar
Gabys Mutter, die Tochter ihr Ebenbild. In 25 Jahren würde Gaby wie ihre Mutter
aussehen — und das waren keineswegs schlechte Aussichten.
    Gaby gab ihr den
Wohnungsschlüssel und küsste sie auf die Wange. Frau Glockner fragte, was ihr
Töchterchen sich zum Mittagessen wünschte. Und Gaby entschied sich für
gebratene Leber mit Kartoffelbrei.
    »Fahr vorsichtig!«, rief Frau
Glockner noch, dann kamen gleich mehrere Kundinnen, und Gaby holte ihr Rad.
    Sie fuhr durch die Stadt. Auf
den weniger befahrenen Straßen war die Fahrbahn vereist, aber das machte ihr
nichts aus.
    Die Sonne war hervorgekommen,
zwar ein bisschen matt und winterlich bleich, doch über den Gärten lag jetzt
ein freundliches Licht.
    Gaby fuhr durch eine
Villen-Gegend. Dass sie von einem Auto überholt wurde oder eins entgegenkam,
war selten. Sie konnte die Mitte der Fahrbahn benutzen und die Straße zog sich
schnurgerade hin.
    Im Licht der Morgensonne sah sie
den Briefträger. Er fuhr auf seinem Dienstrad in die gleiche Richtung, war etwa
400 Meter voraus und hatte seine schwere Ledertasche mit den vielen Briefen
umgehängt.
    Von links, aus einer
Seitenstraße, preschte in diesem Moment ein schweres Motorrad. Zwei Mann saßen
drauf. Angezogen waren sie völlig gleich — wie Zwillinge: Roter Anorak, gelber
Helm, dunkle Hosen. Die Maschine röhrte wie ein Hirsch in der Brunft.
    O je!, dachte Gaby. Wie dicht
die an dem Briefträger vorbei fahren! Da kann ja sonst was passieren, wenn eins
der Fahrzeuge schleudert.
    Was dann wirklich passierte,
war allerdings viel schlimmer als ein glimpflicher Unfall durch unabsichtliches
Streifen.
    Kurz hinter dem Briefträger
verlangsamte das Motorrad sein Tempo.
    Der Soziusfahrer grätschte ab.
Zwei, drei Schritte sprang er hinter dem Briefträger her — auf krummen Beinen.
    Gaby vergaß das Treten, sie
wollte nicht glauben, was sie aus erschreckt aufgerissenen Augen sah.
    Krummbein riss den Arm hoch.
Was er in der Hand hielt, war auf die Entfernung nicht zu erkennen. Jedenfalls
schlug er mit irgendeinem Gegenstand zu. Wuchtig. Er traf Genick oder
Hinterkopf des Briefträgers und der stürzte wie ein gefällter Baum in den
Schnee.
    Sein Rad — eine gelb lackierte
Tretmühle der Post — schlitterte über die Fahrbahn. Er selbst landete kopfüber
am Straßenrand, prallte hart auf und blieb liegen. Dabei verlor er seine Mütze.
    Sofort war der Krummbeinige bei
ihm. Aber nicht, um weiter auf ihn loszuprügeln, sondern weil er die schwere
Posttasche wollte. Er riss sie dem Briefträger weg. Einige Briefe fielen
heraus, blieben auf der Straße liegen.
    Mit seiner Beute sprang
Krummbein zum Motorrad, das jetzt gewaltig aufröhrte. Er saß auf und der
Feuerstuhl schoss davon — ein Stück geradeaus, dann mit halsbrecherischem Tempo
in eine Kurve nach links.

    In der nächsten Seitenstraße
verklang der Motorenlärm. Gaby schlug das Herz bis zum Hals.
    Ein Überfall! Sie hatte es
miterlebt! Ein echter Überfall! Sicherlich war das der Geldbriefträger. Er lag
immer noch am Boden. Und die beiden auf dem Motorrad — natürlich — das waren
zwei der Handtaschenräuber. Wer sonst! Krummbein — ganz klar war das der Krummbeinige
von gestern in Dengenbach, der mit dem Bürstenhaarschnitt.
    Gaby fuhr so schnell sie
konnte. Offenbar hatte niemand sonst den Überfall bemerkt. Bestimmt war der
Briefträger verletzt. Er brauchte Hilfe.
    Sie hielt neben ihm, wobei sie
mit dem Vorderrad eine Ansichtskarte überfuhr. Aber der tat das wenig.
    Gaby sprang ab.
    Der Postler — ein großer,
kräftiger Mann — lag auf dem Bauch. Zwischen dem Kragen seiner Uniformjacke und
dem Haaransatz zeigte sich eine rote Schramme.
    Als Gaby sich besorgt — und ein
bisschen hilflos, weil sie nicht genau wusste, was zu tun sei — über ihn
beugte, regte er sich.
    Stöhnend stemmte er sich auf
Hände und Knie. Er schüttelte den Kopf, drehte ihn zur Seite und sah Gaby an.
Sein Blick war so klar wie eine Waschküche voll Blasen.
    »Warst du das?«
    »Nein! Um Gottes willen! Kann
ich Ihnen helfen? Sind Sie verletzt? Sie brauchen einen Arzt, ja? Warten Sie!
Ich hole Hilfe.«
    »Lass man! Nicht nötig!«
    Der Postbote stand auf, aber er
hatte Wackelknie. Es ging nur mühsam. Mit grimmiger Miene

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