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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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weitreichenden Patrouillengänge unternehmen lassen. Ehe er diesen unglücklichen Flecken zur Rechenschaft zog, wollte er sich erst über die weiteren Maßnahmen der Sieger vom Vortage unterrichten und hütete sich, seinen eigenen Sieg durch einen unüberlegten Angriff wieder zu compromittiren.
    Während der zwei anderen Drittel ihrer Wanderung blieb Bridget in Folge dessen von weiteren gefährlichen Heimsuchungen verschont. Die armen Leute, denen sie begegnete oder die sie sogar überholte, waren Flüchtlinge von St. Charles, die sich über die Kirchspiele der Grafschaften verstreuten, da sie seit der Plünderung und Niederbrennung ihrer Häuser kein schützendes Dach mehr besaßen.
    Doch – das war nur zu gewiß – wo Bridget hatte ungehindert passiren können, wäre das Johann ganz unmöglich gelungen. Bei Annäherung der Soldatenrotten hätte er mindestens Seitenwege einschlagen müssen, und das um den Preis von Zeitverlust, der es ihm ganz unmöglich gemacht hätte, vor Sonnenaufgang wieder im geschlossenen Hause einzutreffen. Hätte ihn aber ein Cavalleriepiquet nur einmal verhaftet, so wäre ihm doch, selbst ein Nichterkennen seiner Person vorausgesetzt, eine längere Freiheitsberaubung sicher gewesen.
     

    Zwanzig Wohnstätten waren durch das Feuer zerstört. (S. 259.)
     
    Vielleicht aber wurde er erkannt, und der Leser weiß ja, welches Urtheil der Gerichtshof von Montreal über ihn gefällt hätte.
    Gegen einhalb ein Uhr erreichte Bridget das Ufer des Richelieu. Das ihr bekannte Haus des Richters Froment lag an diesem Ufer, etwas außerhalb St. Denis. Bridget brauchte also nicht über den Richelieu zu setzen, was ohne ein Boot, welches sie erst suchen mußte, nicht ausführbar gewesen wäre. Sie hatte hier vielmehr nur eine Viertelmeile flußabwärts zu wandern, um vor der Thür des betreffenden Hauses zu stehen.
    Die Umgebung war völlig verlassen und tiefes Schweigen herrschte in diesem Theile des Thales.
    In der Ferne schimmerten kaum einige schwache Lichter durch die Fenster der ersten Gebäude des Fleckens, der jetzt in vollkommener, von keinem Lärmen gestörter Ruhe lag.
    Bridget glaubte hieraus schließen zu dürfen, daß eine Nachricht von der Niederlage bei St. Charles noch nicht bis St. Denis gedrungen wäre.
    Clary de Vaudreuil konnte also noch nichts von der Niederlage wissen, und erst von ihr, der Unglücksbotin, sollte sie Alles erfahren.
    Bridget stieg die Stufen der kleinen Treppe an der Ecke des Hauses hinan und klopfte.
    Keine Antwort.
    Bridget klopfte von Neuem.
    Da erschallten im Inneren der Hausflur, in der es ein wenig hell wurde, zögernde Schritte. Dann fragte eine Stimme:
     

    Es fiel jedoch Niemand ein, die Frau aufzuhalten. (S. 263.)
     
    »Was wünschen Sie?
    – Den Richter Froment zu sprechen.
    – Der Richter Froment ist nicht in St. Denis, und in seiner Abwesenheit darf ich nicht öffnen.
    – Ich habe ihm wichtige Nachrichten mitzutheilen, fuhr Bridget dringlicher fort.
    – Das werden Sie bei seiner Rückkehr thun können.«
    Die Erklärung, nicht öffnen zu wollen, wurde in so bestimmtem Tone abgegeben, daß Bridget nicht mehr zögerte, sich des Namens Clarys zu bedienen.
    »Wenn der Richter Froment nicht hier ist, sagte sie, so muß doch Fräulein de Vaudreuil hier sein, und diese wenigstens muß ich sprechen.
    – Fräulein de Vaudreuil ist abgereist, antwortete die Stimme, dieses Mal aber etwas zaudernd.
    – Sie ist abgereist?
    – Seit gestern.
    – Und wissen Sie, wohin das Fräulein gegangen ist?
    – Jedenfalls hat sie ihren Vater aufsuchen wollen.
    – Ihren Vater?… antwortete Bridget. Nun, eben um des Herrn de Vaudreuil willen komm’ ich sie zu holen.
    – Mein Vater! rief Clary, die im Hintergrunde der Hausflur gestanden hatte. Oeffnen Sie schnell!…
    – Clary de Vaudreuil, nahm Bridget darauf mit gedämpfter Stimme das Wort, ich bin nur hierher gekommen, Sie zu Ihrem Vater zu führen, und Johann ist es, der mich sendet…«
    Schon waren die Riegel der Thür zurückgeschoben worden, als Bridget mit leiser Stimme sagte:
    »Nein, öffnen Sie jetzt nicht, warten Sie ein wenig!«
    Die Stufen hinabgehend, setzte sie sich still am Fuße der Treppe nieder. Es schien in der That von Wichtigkeit, daß sie nicht gesehen wurde und Niemand ihren Eintritt in dieses Haus bemerkte. In diesem Augenblicke aber näherte sich ein Haufen Männer, Frauen und Kinder, der am Ufer des Richelieu hinzog.
    Es waren die ersten Flüchtlinge, welche St. Denis erreichten, nachdem

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