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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mit diesem besprechen, so wurde jeder Fluchtversuch zur Unmöglichkeit. Schon wollte er seine Zuflucht zu Bitten nehmen, um den Commandanten zu einem anderen Beschlusse zu bestimmen, als die Thür sich aufthat.
    Der Sergeant erschien auf der Schwelle.
    »Sergeant, sagte der Major Sinclair zu ihm, Ihr werdet diesen Geistlichen aus dem Fort hinausführen, und er erhält nicht eher Zutritt, als bis ich nach ihm schicke.
    – Die Schildwachen werden Ordre erhalten, Herr Commandant, antwortete der Sergeant. Ich habe Ihnen auch noch mitzutheilen, daß ein Expreßbote eben in Frontenac eingetroffen ist.
    – Ein Courier von Quebec?…
    – Ja, er überbringt diese Papiere…
    – Geben Sie her, sagte der Major Sinclair.
    Er entriß dem Sergeanten mehr das amtliche Schreiben, als er es dem Manne aus der Hand nahm.
    Der Abbé Joann war todtenbleich geworden; er fühlte sich so schwach, daß seine Hinfälligkeit und die Farbenveränderung seines Gesichts dem Major hätten verdächtig erscheinen müssen, hätte dieser ihn im Augenblick beobachtet.
    Das geschah aber nicht.
    Die Aufmerksamkeit des Majors war völlig von diesem mit dem Wappen des Lord Gosford versiegelten Briefe, dessen Umschlag er eilig aufriß, in Anspruch genommen.
     

    »Geben Sie her« sagte der Major Sinclair. (S. 328.)
     
    Er durchflog denselben, dann wandte er sich wieder zu dem Sergeanten.
    »Führt diesen Geistlichen nach der Zelle Johanns ohne Namen, befahl er. Ihr laßt ihn mit dem Gefangenen allein, und wenn er wieder fortzugehen wünscht, so führt Ihr ihn nach dem Ausfallsthore.«
    Es war der Befehl zur schleunigen Hinrichtung, den der General-Gouverneur eben nach Fort Frontenac geschickt hatte.
    Johann ohne Namen hatte nur noch zwei Stunden zu leben.
Fußnoten
    1 In gewissen Theilen Canadas, wie z.B. im Thale St. Jean, hat man das Thermometer gelegentlich bis auf 40 und 45 Grad unter Null herabsinken sehen.
     

Achtes Capitel.
Joann und Johann.
    Der Abbé Joann verließ das Zimmer des Majors Sinclair gefaßter, als er es betreten hatte. Der Donnerschlag der so nahe bevorstehenden Hinrichtung vermochte ihn nicht zu erschüttern. Gott hatte ihm eben einen Gedanken gegeben – dieser Gedanke mußte zu gutem Ende führen.
    Johann wußte noch nicht, daß jener Befehl in dieser Minute von Montreal eingetroffen war, und Joann fiel die schmerzliche Aufgabe zu, ihn davon zu unterrichten.
    Doch nein, das wollte er nicht. Er wollte ihm verhehlen, daß der schreckliche Urtheilsspruch binnen zwei Stunden vollzogen werden sollte. Johann durfte davon nichts erfahren, wenn Joann auf das Gelingen seiner Pläne rechnen sollte.
    An eine von langer Hand vorbereitete Flucht war offenbar ebensowenig zu denken, wie an einen Angriff gegen das Fort Frontenac. Der Verurtheilte konnte dem drohenden Tode nur durch sofortige Flucht entgehen. Befand er sich nach Verlauf von zwei Stunden noch in seiner Zelle, so würde er diese nur verlassen, um mitten in der Nacht am Fuße der Palissade durch die Kugeln zu fallen.
    Wenn der Bruder des Abbé Joann des Letzteren Plan zustimmte, erschien dieser recht wohl durchführbar, und jedenfalls bot er das letzte Mittel, auf welches man unter den gegebenen Umständen zurückkommen konnte. Allerdings durfte Johann nichts davon wissen, daß der Major Sinclair eben den Befehl erhalten hatte, die Hinrichtung vollziehen zu lassen.
    Von dem Sergeanten geleitet, stieg der Abbé Joann die Treppe wieder hinab. Die Zelle des Gefangenen lag an einer Ecke des Erdgeschosses in demselben Blockhause und am Ende eines Verbindungsganges, der längs des Hofes hinlief. Diesen finsteren Corridor mit seiner Fackel erleuchtend, hielt der Sergeant da vor einer niedrigen, von außen mit zwei Riegeln verschlossenen Thür an.
    Als der Soldat diese öffnen wollte, trat er erst noch an den jungen Priester heran und sagte zu diesem mit gedämpfter Stimme:
    »Sie wissen, daß ich Sie aus dem Fort zu führen habe, wenn Sie den Gefangenen wieder verlassen?
    – Das weiß ich, antwortete der Abbé Joann. Warten Sie in diesem Gange und ich werde nach Ihnen rufen.«
    Die Thür der Zelle öffnete sich.
    Im Innern derselben und völlig im Dunklen, lag Johann auf einer Art Feldbett und schlief; er erwachte auch noch nicht von dem Geräusche, welches der Sergeant verursachte.
    Dieser wollte ihn schon an der Schulter schütteln, als der Abbé Joann ihn mit einem Wink bat, davon abzulassen.
    Der Sergeant befestigte die Fackel auf einem Tischchen, ging hinaus und schloß hinter

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