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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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überdies im Lande verstreut waren. An Stelle einer Revolution hatte die Geschichte damit nur noch eine Revolte in ihre Bücher einzutragen.
    Inzwischen wurden in Swanton einige isolirte Aufstandsversuche unternommen. Auf Anrathen Papineau’s und O’Callaghan’s drang eine kleine Truppe von achtzig Mann in das canadische Gebiet ein, gelangte hier bis Moore’s-Corner und stürzte sich auf einen Haufen von vierhundert Kronfreiwilligen, welche den Patrioten den Weg verlegten. Letztere schlugen sich mit rühmenswerthem Muthe, wurden aber doch zurückgedrängt und mußten die canadische Grenze wieder rückwärts überschreiten.
    Als die Colonialregierung von dieser Seite nichts zu fürchten hatte, konnte sie ihre Streitkräfte mehr nach Norden hin zusammenziehen.
    Am 14. December kam es zu einem Gefechte in St. Eustache, in der Grafschaft Deux-Montagnes, nördlich vom St. Lorenzo. Hierbei zeichnete sich inmitten seiner kühnen Kampfgenossen, wie Lorimier, Ferréol und Andere, durch Entschlossenheit und Todesverachtung vorzüglich der Doctor Chénier aus, auf dessen Kopf ein Preis ausgeschrieben war. Zweitausend von Sir John Colborne entsandte Soldaten, neun Kanonen, hundertzwanzig Mann Cavallerie und eine Compagnie von achtzig Freiwilligen griffen St. Eustache an. Chénier und die Seinigen leisteten heldenhaften Widerstand. Den Vollkugeln und den Gewehrsalven ausgesetzt, mußten sie sich nach dem Pfarrhause, dem Kloster und in die Kirche zurückziehen; die Meisten besaßen nicht einmal Flinten, und als sie solche zu haben verlangten, antwortete Chénier kaltblütig:
    »Ihr nehmt die Gewehre Derjenigen, welche schon gefallen sind!«
    Der Kreis der Angreifer zog sich jedoch um das Dorf immer enger zusammen, und auch eine Feuersbrunst kam den Königlichen zu Hilfe.
    Chénier sah sich gezwungen, die Kirche zu verlassen; da streckte ihn eine Kugel zu Boden. Er raffte sich noch einmal auf und feuerte; jetzt traf ihn eine Kugel mitten in die Brust, so daß er auf der Stelle todt zusammensank. Siebenzig seiner Gefährten fielen mit ihm.
    Man sieht wohl noch heute die Zerstörungen an der Kirche, in der jene Verzweifelten kämpften, und die Canadier haben niemals aufgehört, den Ort zu besuchen, wo der muthige Arzt den Tod fand. Im ganzen Lande pflegt man noch immer zu sagen: »muthig wie Chénier.«
    Nach der erbarmungslosen Niederwerfung der Aufständischen in St. Eustache sandte Sir John Colborne seine Truppen nach St. Benoit, wo sie am folgenden Tage eintrafen.
    Es war das ein Schloß und reiches Dorf, einige Meilen nördlich in der Grafschaft Deux-Montagnes.
    Hier begannen die Soldaten ein Gemetzel unter waffenlosen Menschen, die sich von Anfang an hatten unterwerfen wollen. Wie hätten sie auch nur die Möglichkeit gehabt, sich gegen die von St. Eustache kommenden regulären Truppen und gegen die von St. Andrew heranziehenden Freiwilligen zu vertheidigen, welche zusammen mehr als sechstausend Mann zählten und von dem General persönlich angeführt wurden?
    Verwüstungen, Zerstörungen, Plünderungen, Feuersbrünste und Diebstähle – alle Ausschreitungen einer wüthenden Soldatesca, welche weder Alter noch Geschlecht schonte, Kirchenschändung, Entweihung heiliger Gefäße durch die Benützung zu den gemeinsten Zwecken, Entwendung von Meßgewändern, welche sie an den Hals ihrer Pferde banden – das waren die Acte des Vandalismus und der Unmenschlichkeit, deren Schauplatz dieses Kirchspiel wurde.
    Und wenn die Freiwilligen großen Antheil an diesen Schändlichkeiten nahmen, so ist doch anzuführen, daß die Soldaten der regulären Armee nur wenig oder gar nicht von ihren Vorgesetzten davon zurückgehalten wurden. Wiederholt ertheilten letztere sogar selbst den Befehl, verschiedene Häuser von Vornehmen den Flammen zu übergeben.
    Als die Nachrichten hiervon am 16. December nach der Insel Navy kamen, erregten sie natürlich einen Sturm der Entrüstung. Die Blaumützen wollten mit aller Gewalt den Niagara überschreiten und das Lager Mac Nab’s angreifen, so daß Herr de Vaudreuil die größte Mühe hatte, sie zurückzuhalten.
    Nach der ersten Erregung des Zornes jedoch griff eine tiefe Entmuthigung Platz. Sogar schon einzelne Desertionen begannen die Reihen der Patrioten zu lichten, wobei vielleicht ein Hundert nach der amerikanischen Grenze übertraten.
    Endlich sahen auch selbst die Führer ihren Einfluß sich abschwächen und geriethen in so manchen Zwiespalt untereinander. Vincent Hodge, Farran und Clerc kamen

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