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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Besorgniß, daß man ihr ihren Namen ins Gesicht schleudern könne; denn wer hätte in ihr die Gattin Simon Morgaz’ vermuthen können? Es war für sie aber schon zuviel, daß sie unter dem Dache des Herrn de Vaudreuil wohnte, und daß Clary ihr die Liebe und Achtung einer Tochter für ihre Mutter entgegenbrachte.
    Vincent Hodge stellte sich pünktlich zur bestimmten Stunde ein. Als er eintraf, war es um acht Uhr Abends.
    Bridget, welche ausgegangen war, durchirrte die Insel.
    Vincent Hodge drückte Herrn de Vaudreuil die Hand und wandte sich dann zu Clary, welche ihm die ihrige entgegenstreckte.
    »Ich habe über ernste Dinge mit Ihnen zu sprechen, lieber Hodge, begann Herr de Vaudreuil.
    – Ich lasse Dich allein, lieber Vater, sagte Clary, sich nach der Thür begebend.
    – Nein, mein Kind. Was ich zu sagen habe, geht Euch Beide an.«
    Er machte Vincent Hodge ein Zeichen, sich vor seinem Lehnstuhle niederzusetzen. Clary nahm auf einem anderen Stuhle neben ihm Platz.
    »Mein Freund, nahm er nun das Wort, ich habe nicht mehr lange zu leben; ich fühle es, daß meine Kräfte tagtäglich mehr schwinden. So hören Sie mich denn an, als säßen Sie am Bette eines Sterbenden, um dessen letzte Worte zu vernehmen.
    – Mein lieber Vaudreuil, antwortete Hodge rasch, Sie übertreiben…
    – Und Du machst uns rechten Schmerz, liebster Vater! setzte das junge Mädchen hinzu.
    – Ihr Beide würdet mir noch mehr bereiten, erwiderte Herr de Vaudreuil, wenn Ihr es abschlügt, meinen Worten zu lauschen.«
    Er sah Beide lange Zeit an. Dann wandte er sich an Vincent Hodge.
    »Mein Freund, sagte er, bisher haben wir miteinander von nichts anderem gesprochen, als von der Angelegenheit, der wir Beide, Sie und ich, unser ganzes Leben widmeten. Meinerseits war das ja etwas sehr Natürliches, da ich von französischem Geblüt bin, und ich nur für den Triumph des französischen Canada gekämpft habe. Sie aber, der unserem Vaterlande nicht durch die Bande der Geburt angehört, Sie haben ebenfalls nicht gezaudert, in die vordersten Reihen der Patrioten einzutreten…
    – Sind die Amerikaner und Canadier nicht Brüder? antwortete Vincent Hodge. Und wer weiß denn, ob Canada nicht dereinst einen Theil der amerikanischen Union bildet?…
    – O, möchte dieser Tag doch kommen! rief Herr de Vaudreuil.
    – Ja, mein Vater, er wird kommen, ließ sich da Clary vernehmen, er wird kommen und Du wirst ihn noch sehen…
    – Nein, mein Kind, ich werde ihn nicht sehen.
    – Halten Sie denn dafür, daß unsere Sache für immer verloren ist, weil sie dieses Mal besiegt wurde? fragte Vincent Hodge.
    – Eine gerechte Sache muß immer zuletzt triumphiren, antwortete Herr de Vaudreuil. Die Zeit, die mir fehlt, wird doch Ihnen nicht fehlen, diesen Triumph mit anzusehen. Ja, Hodge, Sie werden Zeuge desselben sein, und gleichzeitig werden Sie auch Ihren Vater gerächt haben, Ihren Vater, der durch den Verrath eines Morgaz auf dem Schaffot sein Leben aushauchte!«
    Nach diesem so unerwartet ausgesprochenen Namen fühlte sich Clary wie ins Herz getroffen. Fürchtete sie wohl, die Röthe sehen zu lassen, die ihr Gesicht überflog?
    Ja, wahrscheinlich, denn sie erhob sich und nahm an einem Fenster Platz.
    »Was fehlt Ihnen, Clary? fragte Vincent Hodge, der zu dem jungen Mädchen herantrat.
    – Du bist leidend? setzte Herr de Vaudreuil hinzu, und machte schon eine Anstrengung, den Armstuhl zu verlassen.
    – Nein, mein Vater, es ist nichts!… Ein wenig frische Luft macht Alles wieder gut!«
    Vincent Hodge öffnete die Fensterflügel und wandte sich an Herrn de Vaudreuil zurück.
    Dieser wartete einige Minuten. Als dann Clary wieder an seine Seite gekommen, ergriff er ihre Hand, indem er gleichzeitig das Wort an Vincent Hodge richtete:
     

    »Ihr nehmt die Gewehre derjenigen, welche schon gefallen sind,« antwortete Chénier. (S. 355.)
     
    »Mein Freund, sagte er, obwohl nur der Patriotismus bisher Ihre Brust erfüllt hat, ließ er in Ihrem Herzen doch noch für eine andere Empfindung Raum. Ja, Hodge, ich weiß es, Sie lieben meine Tochter, und ich weiß auch, welche Hochachtung diese für Sie hegt. Ich würde weit ruhiger sterben, wenn ich wüßte, daß Sie das Recht und die Pflicht hätten, über sie zu wachen, wenn sie allein in der Welt steht. Wenn sie nun dazu Ja sagte, würden Sie Clary als Weib nehmen?«
    Clary hatte die Hand aus der ihres Vaters gezogen; die Augen auf Vincent Hodge gerichtet, erwartete sie dessen Erklärung.
    »Mein lieber Vaudreuil,

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