Die Familie ohne Namen
strich durch die Luft, nur dann und wann unterbrach ein entferntes Geräusch das Todesschweigen dieser Einöde. Bald begann ein dichter Schnee zu fallen.
Da es ziemlich kalt war, sammelte Johann etwas dürres Holz, das er in einer Ecke nahe dem Eingang in Brand setzte, so daß der Rauch einen Abzug nach außen finden konnte.
Auf einem Lager von trockenem Laub, das Joann zusammengetragen, hingestreckt, blieb Bridget völlig unbeweglich. Das schwache Leben, welches noch in ihr wohnte, verrieth sich nur durch mühsame, von langen und schmerzlichen Seufzern unterbrochene Athemzüge. Während Joann ihre Hand gefaßt hielt, beschäftigte sich Johann, das Feuer zu schüren, um die Temperatur wenigstens auf erträglichem Grade zu halten.
Simon Morgaz, der sich halb liegend im Hintergrunde befand und dessen Züge die reinste Verzweiflung widerspiegelten, als habe er Abscheu vor sich selbst, machte ebenfalls keine Bewegung, während der Widerschein der Flammen sein krampfhaft zuckendes Gesicht beleuchtete.
Der Schein des Feuers verdüsterte sich allmählich und Johann fühlte, daß ihm die Augen wider Willen zufielen.
Er hätte nicht sagen können, wie viel Stunden er in dieser halben Betäubung verharrte, doch kaum erwacht, sah er, daß die letzten Kohlen eben verglimmen wollten.
Johann erhob sich, er warf einen Arm voll Zweige auf den Herd, den er durch Anblasen wieder in Brand setzte, und in der Höhle ward es wieder hell.
Bridget und Joann befanden sich nebeneinander wie vorher und verhielten sich noch immer regungslos. Simon Morgaz war nicht mehr da, ohne daß Jemand ahnte, wie er die Stelle verlassen habe, wo seine Frau und seine Söhne ruhten.
Von trübem Vorgefühl erfüllt, eilte Johann aus der Höhle, als ein scharfer Knall erfolgte.
Bridget und Joann richteten sich schnell auf; Beide hatten den Schuß vernommen, der offenbar nur in ganz geringer Entfernung abgefeuert wurde. Bridget stieß einen Schreckensschrei aus, sie erhob sich und trat, gestützt von ihren Söhnen, aus der Höhle.
Alle Drei hatten noch keine zwanzig Schritte gemacht, als sie einen auf dem Schnee ausgestreckten Körper entdeckten.
Es war der des Simon Morgaz. Der Unglückliche hatte sich eine Pistolenkugel ins Herz geschossen.
Er war todt.
Joann und Johann wichen entsetzt zurück. Die Vergangenheit trat ihnen vor die Augen. Sollte es doch richtig sein, daß ihr Vater schuldig war, oder hatte er nur in einem Anfall von Verzweiflung diesem Leben, das er nicht mehr zu ertragen vermochte, ein Ende machen wollen?
Bridget hatte sich auf den Leichnam ihres Gatten geworfen, den sie in die Arme schloß… Sie wollte nicht an die Ehrlosigkeit des Mannes glauben, dessen Namen sie trug.
Joann hob seine Mutter auf und führte sie in die Höhle zurück, wo sein Bruder und er den Körper seines Vaters an derselben Stelle niederlegten, den dieser vor wenigen Stunden eingenommen hatte.
Eine Brieftafel war seiner Tasche entfallen; Joann hob sie auf, und beim Oeffnen derselben quoll ein starkes Packet Banknoten aus derselben hervor.
Das war der Preis, um den Simon Morgaz die Häupter der Verschwornen von Chambly verrathen hatte! – Die Mutter und die beiden Söhne konnten jetzt daran nicht mehr zweifeln.
Joann und Johann knieten neben Bridget nieder.
Jetzt gab es, angesichts der Leiche des Verräthers, der an sich selbst Gerechtigkeit geübt, nur noch eine gebrandmarkte Familie, deren Namen mit dem, der ihn entehrt, verschwinden sollte.
Drittes Capitel.
Ein Huronen-Notar.
Es hatte sehr triftige Gründe gehabt, daß der General-Gouverneur, Sir John Gosford, der Polizeiminister und der Oberst Gore im Palaste zu Quebec verhandelten, um die Maßregeln zu berathen, welche am geeignetsten schienen, die Schliche der Patrioten aufzudecken und unwirksam zu machen, denn es lag auf der Hand, daß in kurzer Zeit eine Empörung der Bevölkerung französisch-canadischen Blutes ausbrechen würde.
Wenn aber Lord Gosford und seine Umgebung sich mit vollem Recht beunruhigt fühlten, schien das nicht der Fall zu sein mit einem jüngeren Manne, der am Morgen des 3. September in der Expedition des Herrn Nick, am Markte Bon-Secours in Montreal, mit einer Schreiberei beschäftigt war.
»Schreiberei« ist vielleicht nicht das richtige Wort, welches die fesselnde Arbeit verdiente, der sich der zweite Schreiber Lionel Restigouche in diesem Augenblick – gegen 9 Uhr morgens – hingab. Eine Reihenfolge ungleich langer Linien mit seinen Schriftzügen entstand da auf
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