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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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immerhin mehrere Kirchspiele. Sie umfaßt die Grafschaft Laval – deren Namen auch die große katholische Universität von Quebec, und zwar zur Erinnerung an ihren ersten, im canadischen Lande eingesetzten Bischof, trägt.
    Laval ist ebenso der Name der Hauptortschaft der Insel Jesus und liegt an deren südlichem Ufer. Die Wohnung des Herrn de Vaudreuil gehörte zwar zu demselben Kirchspiele, lag aber eine Lieue am St. Lorenzo stromaufwärts.
    Es war das ein Haus von freundlichem Aussehen, umgeben mit einer Parkanlage von etwa fünfzig Acker 1 Ausdehnung und bedeckt mit Wiesengründen und hohem Baumbestande, dessen Grenze das Ufer des Stromes selbst bildete. Durch seine architektonische Anordnung wie durch die Einzelheiten der Ausschmückung unterschied es sich deutlich von jener angelsächsischen Gothik, welche einst vielfach zu Ehren Großbritanniens beliebt war. Hier war der französische Geschmack vorherrschend, und wäre nicht der rasche gurgelnde Wasserlauf gewesen, der zu ihren Füßen hintoste, so hätte man glauben können, daß die Villa Montcalm – so hieß das Gebäude – sich an den Ufern der Loire, in der Nachbarschaft von Chenonceaux oder von Amboise erhebe.
    Stark betheiligt bei den letzten reformatorischen Erhebungen in Canada, hatte Herr de Vaudreuil auch zu dem Complot gehört, dem der Verrath jenes Simon Morgaz ein so tragisches Ende bereitete, indem dadurch Walter Hodge, Robert Farran, François Clerc das Leben und die übrigen Verschworenen die Freiheit einbüßten.
    Einige Jahre später wurden den Letzteren übrigens in Folge eines allgemeinen Gnadenerlasses die Kerkerthüren wieder geöffnet, und Herr de Vaudreuil war nach seiner Besitzung auf der Insel zurückgekehrt.
    Die Villa Montcalm war am Ufer des Stromes erbaut. In den Wellen der Ebbe und Flut badeten sich die ersten Stufen der vorderen Terrasse, welche eine elegante Veranda vor der Front des eigentlichen Wohnhauses überdeckte. Weiter rückwärts unter dem stillen Schatten des Parkes unterhielt der Luftzug vom Flusse her eine erquickende Frische, welche die heißen Tage des canadischen Sommers erträglicher machte. Wer Liebhaber der Jagd oder des Fischfanges war, hätte diesen Zerstreuungen hier vom Morgen bis zum Abend nachgehen können. An Wild gab es Ueberfluß auf den Ebenen der Insel, ebenso wie an Fischen in den Buchten des St. Lorenzo, der auf den langen Wellenlinien der Laurentidenkette am linken Ufer von einem breiten grünen Rahmen eingefaßt war.
    Diesen noch so echt französisch gebliebenen Landstrich hätten die Franco-Canadier recht wohl noch Neu-Frankreich nennen können. Sitten und Gebräuche waren hier noch dieselben wie im 17. Jahrhundert. Ein englischer Schriftsteller, Russel, konnte mit Recht sagen: »Unter-Canada gleicht weit mehr einem Frankreich aus alter Zeit, über dem das Lilienbanner flatterte.« Ein französischer Autor, Eugène Réveillaud schrieb: »Hier ist die Zufluchtstätte der alten Herrschaft. Es ist eine Bretagne oder eine Vendée von vor sechzig Jahren, die sich jenseits des Oceans ausdehnt. Auf dem Festlande Amerikas hat der Bewohner hier mit besonders vorsichtiger Sorgfalt ebenso die geistigen Anschauungen und den naiven Glauben, wie den Aberglauben seiner Väter zu bewahren gewußt.« – Dieses Urtheil ist auch noch für die Jetztzeit zutreffend, wie es gleichfalls wahr ist, daß die französische Race sich in Canada sehr rein und ohne Vermischung mit fremdem Blute erhalten hat.
    Bei seiner Heimkehr nach der Villa Montcalm, gegen 1829, befand sich Herr de Vaudreuil in Verhältnissen, welche ihm ein glückliches Leben gewährleisteten. Obwohl sein Vermögen nicht beträchtlich war, sicherte es ihm doch ein bequemes Auskommen, das er hätte in Ruhe genießen können, wenn ihn sein glühender Patriotismus nicht immer wieder in den Bannkreis der politischen Agitation gedrängt hätte. Wo diese Erzählung beginnt, zählte Herr de Vaudreuil siebenundvierzig Jahre. Sein grau melirtes Haar ließ ihn vielleicht etwas älter erscheinen; der lebhafte Blick, die glänzenden tiefblauen Augen, die mächtige Gestalt, die kräftige Constitution, die ihm eine unerschütterliche Gesundheit verbürgte, die ansprechende wohlwollende Physiognomie und das wohl etwas stolze, aber keineswegs hochmüthige Auftreten machten ihn zum unverkennbaren Typus eines französischen Edelmannes. Er war sozusagen der leibhaftige Nachkomme jener unternehmenden Adelsgeschlechter, welche im 15. Jahrhundert den Atlantischen Ocean

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