Die Familie ohne Namen
Farmer.
Dann wendete er sich an Rip:
»Johann ohne Namen, den Sie suchen, erklärte er, ist nicht in der Farm von Chipogan.
– Und ich wiederhole Ihnen, daß er hier ist, Thomas Harcher, versetzte Rip kühl.
– Nein, sag’ ich Ihnen, er ist nicht hier… ist niemals hier erschienen!… Ich kenne ihn nicht einmal. Doch ich erkläre auch, daß wenn er mich um Obdach angesprochen hätte, so würde ich’s ihm gewährt haben; und wenn er sich bei mir aufhielte, würde ich ihn nicht ausliefern!
Ueber die deutlichen Zeichen der Zustimmung, mit denen diese Erklärungen des Farmers aufgenommen wurden, konnte Rip sich nicht täuschen. Thomas Harcher hatte sich offenbar zum Dolmetsch der Gefühle der gesammten Gesellschaft gemacht. Angenommen, Johann ohne Namen hätte doch auf der Farm Zuflucht gesucht, so durfte er hier von Keinem erwarten, daß er feige genug sein würde, ihn Jenen zu verrathen.
Johann hörte dem Allen noch immer mit Gelassenheit zu. Herr de Vaudreuil und Clary wagten gar nicht, ihn anzublicken, aus Furcht, Rip’s Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken.
»Thomas Harcher, nahm dieser das Wort, es wird Ihnen wahrscheinlich nicht entgangen sein, daß eine am 3. September 1837 erlassene Bekanntmachung einen Preis von sechstausend Piastern Jedem zusichert, der Johann ohne Namen verhaftet oder seinen Zufluchtsort angibt.
– Natürlich weiß ich davon, bestätigte der Farmer, und wer in ganz Canada wüßte es nicht? Bisher hat sich aber noch kein Canadier gefunden, der erbärmlich genug wäre, einen so elenden Verrath zu begehen… es wird sich auch nie einer finden!
– Gut gesagt, Thomas!« rief Catherine, der ihre Kinder und Freunde sich anschlossen.
Rip ließ sich nicht in Verlegenheit bringen.
»Thomas Harcher, fuhr er fort, wenn Sie die Proclamation vom 3. September 1837 auch kennen, so ist Ihnen doch vielleicht die neue Verordnung des General-Gouverneurs vom 6. October dieses Jahres noch unbekannt?
– Richtig, die kenne ich nicht, antwortete der Farmer, doch wenn sie von demselben Schlage wie die erste ist, wenn sie nur zu erbärmlicher Angeberei verführen soll, so können Sie sich der Mühe entheben, sie uns mitzutheilen.
– Hören müssen Sie dieselbe doch!« entgegnete Rip.
Damit entfaltete er ein von Gilbert Argall unterzeichnetes Blatt und las wie folgt:
»Jedem Bewohner der Städte und des platten Landes wird hiermit aufgegeben, dem proscribirten Johann ohne Namen niemals Hilfe und Schutz zu gewähren. Jeder, der ihm Obdach gibt, verfällt der Strafe des Galgens.
Für den General-Gouverneur
Der Polizeiminister
Gilbert Argall.«
Die englische Regierung hatte es also gewagt, zu derartigen Schreckensmitteln zu greifen! Nachdem sie einen Preis auf den Kopf Johanns ohne Namen ausgesetzt, bedrohte sie jetzt noch mit dem Tode Jeden, der ihm Obdach gegeben hatte oder noch geben würde!
Dieser unerhörte Gewaltstreich rief die lebhaftesten Proteste aller Anwesenden hervor. Thomas Harcher, seine Söhne und seine Gäste sprangen schon von ihren Plätzen empor, um sich auf Rip zu stürzen und diesen sammt seinem Gefolge von Beamten und Freiwilligen aus der Farm zu verjagen, als Nick sie mit einem Winke noch zurückhielt.
Das Gesicht des Notars war sehr ernst geworden. Gleichwie alle in diesem Saale versammelten Patrioten, empfand auch er den so natürlichen Abscheu, welche die eben von Rip verlesene Verordnung des Lord Gosford wachrufen mußte.
»Herr Rip, wendete er sich an diesen, der, den Sie suchen, befindet sich nicht in der Farm von Chipogan. Thomas Harcher hat Ihnen das schon versichert und ich wiederhole es Ihnen hiermit ausdrücklich. Sie haben also hier nichts zu suchen und hätten besser gethan, jenes bedauerliche Schriftstück in der Tasche zu behalten. Glauben Sie mir, Herr Rip, Sie würden das beste Theil wählen, wenn Sie uns Ihre Anwesenheit nicht länger aufdrängten.
– Sehr gut, Nicolas Sagamore! rief Lionel.
– Ja!… Ziehen Sie sich zurück!… Sogleich! erscholl es von dem Farmer, dessen Stimme schon vor Zorn bebte. Johann ohne Namen ist nicht hier! Doch wenn er käme und von mir Obdach verlangte, so würde ich ihn, trotz der Drohungen des Gouverneurs, bei mir aufnehmen… Jetzt hinaus aus meinem Hause… Hinaus!
– Ja!… Ja!… Hinaus! wiederholte Lionel, dessen Aufgeregtheit Meister Nick vergeblich zu dämpfen versucht hatte.
– Nehmen Sie sich in Acht, Thomas Harcher! erwiderte Rip. Sie werden den Kürzeren ziehen gegen das Gesetz und gegen die aufgebotene
Weitere Kostenlose Bücher