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Die Familie ohne Namen

Die Familie ohne Namen

Titel: Die Familie ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Gesetz anzunehmen, welches Lord Gosford ermächtigen soll, die Constitution von 1791 aufzuheben. Dann würden die französischen Canadier gar keine Sicherheit bezüglich der Repräsentativ-Verfassung, welche der Colonie zukommt und die ihr doch sonst schon nur so geringe Freiheiten läßt, mehr haben. Unsere Freunde und die liberalen Abgeordneten mit ihnen werden versuchen, sich dieser Ueberhebung der Staatsgewalt zu widersetzen. Wahrscheinlich wird Lord Gosford, um den Ansprüchen der Reformisten einen Damm entgegenzusetzen, zu einer Auflösung der Kammer oder mindestens zu einer Vertagung derselben schreiten. An eben diesem Tage wird das Land sich erheben, und wir werden dasselbe nur noch zu führen haben.
    – Sie haben Recht, antwortete Herr de Vaudreuil, es ist nicht zweifelhaft, daß eine derartige Herausforderung seitens der Loyalisten die allgemeine Revolution heraufbeschwören muß. Wird das englische Parlament aber wagen, so weit zu gehen? Doch wenn es zu diesem Ansturme gegen die Rechte der französischen Canadier wirklich kommt, sind Sie überzeugt, daß das bald geschehen wird?
    – In einigen Tagen, versicherte Johann. Sebastian Grammont hat mich darüber unterrichtet.
    – Und wie werden Sie sich bis dahin allen Nachforschungen entziehen? fragte Clary.
    – Ich führe die Beamten auf eine falsche Fährte.
    – Haben Sie denn einen Zufluchtsort?
    – Ja, ich habe einen.
    – Werden Sie da ganz in Sicherheit sein?
    – Mehr als irgendwo anders.
    – Fern von hier?
    – In St. Charles, in der Grafschaft Verchères.
    – Zugegeben, bemerkte Herr de Vaudreuil, Niemand kann besser als Sie selbst darüber urtheilen, was die Umstände erheischen. Glauben Sie den Ort, wo Sie sich zu verbergen gedenken, unbedingt geheim halten zu müssen, so werden wir uns bescheiden. Doch vergessen Sie nicht, daß die Villa Montcalm Tag und Nacht für Sie geöffnet ist.
    – Ich weiß es, Herr de Vaudreuil, antwortete Johann, und ich danke Ihnen dafür.«
    Selbstverständlich hatte bei den unaufhörlichen lauten Ausrufen der Tischgenossen, bei dem immer mehr zunehmenden Tumult im Saale, von dieser mit gedämpfter Stimme geführten Unterhaltung kein Anderer etwas hören können. Zuweilen war dieselbe nur durch einen geräuschvoll ausgebrachten Toast, durch eine lustige Erwiderung oder durch eine angepaßte Anrede an das junge Ehepaar unterbrochen worden. Jetzt schien sie nach den letzten zwischen Herrn de Vaudreuil und Johann gewechselten Worten ein Ende nehmen zu wollen, als eine Frage Clarys eine Antwort seitens des jungen Mannes veranlaßte, die ihre und ihres Vaters Verwunderung erregen mußte.
    Es ist nicht leicht zu sagen, welcher Eingebung das junge Mädchen folgte, als sie diese Frage stellte. Vielleicht war es ein Verdacht, oder wenigstens das Bedauern darüber, daß Johann entschlossen schien, ihnen gegenüber noch immer eine gewisse Zurückhaltung zu bewahren. Das mußte wohl der Fall sein, und so sagte sie zu ihm:
    »Also gibt es doch noch ein Haus, welches Ihnen Obdach und mehr Gastfreundschaft bietet als das unsrige?
    – Mehr Gastfreundschaft?… Nein, doch ebensoviel, antwortete Johann gerührt.
    – Und welches?
    – Das Haus meiner Mutter!«
    Johann sprach diese Worte mit dem Ausdrucke so warmer kindlicher Liebe, daß Fräulein de Vaudreuil sich davon tief ergriffen fühlte. Das war zum ersten Male, daß Johann, dessen Vergangenheit so geheimnißvoll vor ihr lag, eine Andeutung auf seine Familie fallen ließ. Er stand also nicht so allein in der Welt, wie sie bisher hatte annehmen müssen; er hatte noch eine Mutter, welche verborgen in dem Flecken St. Charles lebte, und diese suchte Johann ohne Zweifel bisweilen auf. Das Mutterhaus stand ihm offen, wenn es ihn nach etwas Ruhe und Rast verlangte; und jetzt wollte er offenbar ebenda die Stunde abwarten, in der der Kampf entbrennen sollte.
    Clary hatte nichts erwidert, ihre Gedanken entführten sie nach jenem entfernten Hause. O, welche Freude für sie wär’ es gewesen, die Mutter des jungen Proscribirten zu kennen! Sie sah in dieser eine heldenhafte Frau, gleich ihrem Sohne, eine Patriotin, die sie geliebt hätte, ja, die sie schon liebte. Gewiß würde sie dieselbe eines Tages noch sehen. Ihr Leben schien ja für alle Zukunft mit dem Johanns ohne Namen verknüpft – denn mehr als sonst empfand sie in dem Augenblicke, wo sie sich vielleicht für immer trennen sollten, die Macht des Gefühles, das sie Beide unlöslich verband.
    Inzwischen näherte sich das

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