Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
betrachtete sie und berührte sie und roch daran und träumte davon, wie sie an Darcy aussehen würden.
    Später am Abend, nachdem er das Licht ausgeschaltet hatte, saß er aufgestützt im Bett, starrte auf den Fernseher und dachte an das nächste Mal.
    Beim nächsten Mal würde er sich vielleicht ausziehen. Vielleicht würde er ein paar ihrer Kleider anprobieren. (Würde sie es bemerken, wenn er eines ihrer Höschen stahl?) Vielleicht würde er sich auf ihr Bett legen, sich nackt auf dem Laken rekeln, auf dem sie schlief. Im Bad würde er vielleicht ein Handtuch finden, mit dem Darcy sich nach dem Duschen oder Baden abgetrocknet hatte. Es könnte noch feucht sein. Ein Handtuch, das ihren Körper überall abgerieben hatte.
    Jemand rüttelte Kyle an der Schulter. Er wachte erschrocken auf und drehte sich auf den Rücken. Sein Vater beugte sich über das Bett, das Gesicht grau im flackernden Licht des Fernsehers. Es war Sendeschluss, und auf dem Bildschirm war nur noch Schnee zu sehen. Kyle warf einen Blick auf die Digitaluhr auf seinem Nachttisch. Zwei Uhr sechsunddreißig.
    »Was ist los?«, murmelte er.
    Sein Herz schlug schneller. Ihm war klar, was los war. Dad wusste, dass er nicht in Darcys Zimmer gewesen war, um ihr die Bücher zu bringen.
    »Zieh dich an und komm mit«, flüsterte sein Vater.
    Das war seltsam; wenn Dad ihm eine Tracht Prügel verpassen oder auch nur eine Standpauke halten wollte, würde er es doch an Ort und Stelle tun, oder? Vielleicht hatte er sich eine andere Strafe ausgedacht.
    Vielleicht soll ich Darcy gegenübertreten! Um diese Uhrzeit?
    »Wohin gehen wir?«
    »Tu, was ich sage.«
    Dad klang nicht wütend, doch Kyle hörte ein Beben in seiner Stimme. Hatte er vor irgendwas Angst? War er aufgeregt?
    Kyle stieg aus dem Bett. Seine Kleider hingen über einem Stuhl. Mit dem Rücken zu seinem Vater ließ er die Schlafanzughose hinunter und zog Boxershorts an. Er begann, in die gute Hose zu steigen, die er bei der Arbeit im Chalet getragen hatte.
    »Nicht die«, sagte Dad. »Zieh was Altes an.«
    Warum?
    Kyle fragte nicht. Er ging zum Wandschrank und schlüpfte in eine Jeans und ein altes Hemd. Dann zog er Socken und Turnschuhe an.
    Dad ging voraus. In der verlassenen Lobby war das Licht gedimmt. Das Hotel war still. Kyle hatte das Gefühl, das Gebäude selbst schliefe.
    Dad sagte nichts.
    Sie gingen den Korridor des Ostflügels entlang, vorbei an der Tür von Nummer 115, dem letzten Gästezimmer.
    Wir gehen zur Treppe, dachte Kyle. Er bringt mich wirklich hinauf zu Darcys Zimmer.
    Doch Dad blieb an der allerletzten Tür des Korridors stehen. Sie trug keine Nummer. Kyle hatte früher einmal versucht, sie zu öffnen. Es war die einzige Tür im ganzen Hotel, die sich nicht mit dem Generalschlüssel aufschließen ließ.
    Dad hatte ihm vor langer Zeit und mehr als einmal erklärt, es handele sich um einen Lagerraum.
    Er will mich einschließen!
    Wenn du dich so gerne in Zimmer schleichst, dann kannst du ja mal eine Weile hier drin bleiben.
    Dad zog ein ledernes Schlüsselmäppchen aus der Tasche. Es war jenes, das Kyle ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Er klappte es auf. An einem der Metallclips hingen zwei gleiche Schlüssel, einer davon glänzte und wirkte neu. Er zog den neuen Schlüssel ab und hielt ihn Kyle vor die Augen. Im schwachen Licht leuchtete er golden.
    »Den habe ich an deinem fünfzehnten Geburtstag für dich machen lassen«, flüsterte er, noch immer mit dieser angespannten Stimme. »Aber ich habe ihn behalten, bis ich sicher war, dass du bereit bist.«
    »Bereit wozu?« Kyle wischte seine verschwitzten Hände an der Jeans ab.
    »Als ich gesehen habe, wie du gestern Abend aus dem Zimmer gekommen bist, wurde mir klar, dass es Zeit ist.«
    »Ich habe nichts gemacht.«
    »Ach, ich kann mir gut vorstellen, was du getan hast. Das habe ich früher selber gemacht. Dann, eines Tages, hat mein Vater mir einen dieser Schlüssel gegeben.« Er reichte Kyle den nagelneuen Schlüssel. »Los, schließ auf.«
    Kyles Hand zitterte so stark, dass der Schlüssel über die Oberfläche des Schlosses kratzte. Sein Vater nahm seine Hand, hielt sie ruhig und führte den Schlüssel ein. Kyle drehte ihn. Er öffnete die Tür.
    Er konnte einen Blick auf rote Vorhänge und einen bequemen Stuhl werfen. Dann schob Dad ihn hinein und schloss die Tür.
    Das kleine Zimmer war dunkel, bis auf einen schwachen Schein, der an den Rändern der Vorhänge hereindrang. Eine Hand auf Kyles Schulter

Weitere Kostenlose Bücher