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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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lauschte. Das Geräusch kam von hinten – aus den Aufzugsschächten? Ein entferntes Rumpeln und Schleifen, das sie an eine U-Bahn erinnerte, die in den Bahnhof einfuhr. Es wurde lauter und lauter.
    Gregs Hand schoss unter ihre Achselhöhle. Ihr anderer Arm wurde gepackt, und sie wurde hochgezogen und mit Greg an ihrer Seite nach vorn durch die Dunkelheit gerissen, bis sie über Leute fielen, die vor Schreck aufschrien.
    Greg, der auf Darcys Rücken gelandet war, drückte sie auf einen zappelnden Körper.
    Sie hörte ein Dröhnen, Rufe und Schreie, einen fürchterlichen Knall.
    Greg rollte sich von ihr herunter. Als Darcy den Kopf hob, sah sie, dass sie auf Beth Donner lag. Das Gesicht der Frau leuchtete im flackernden orangeroten Licht. In ihren Augen spiegelte sich Entsetzen.
    »Entschuldigung«, murmelte Darcy. »Alles in Ordnung?«
    Beth nickte.
    Darcy richtete sich auf. Sie sah über die Schulter.
    In die Flammen.
    Der Aufzug auf der linken Seite, dessen Holztüren aufgesprengt waren, war eine feurige Kammer.
    Darcy spähte in das brennende verbogene Wrack der Kabine. Sie sah keine Leichen.
    Das ist doch schon mal was, dachte sie. Immerhin …
    Dann ertönte ein weiteres Dröhnen.
    Ein zweiter Knall.
    Die Türen des anderen Aufzugs explodierten in einem Hagel aus Holzstücken und Splittern.

6
    An diesem Morgen ging Chris Raines nach einem Kaffee und einem Rosinenbrötchen von der Snackbar mit ihrer Tochter hinter den Souvenirladen, wo die Leute Schlange standen, um Karten für die Führung zu kaufen.
    »Möchtest du wirklich nicht noch mal runter und einen Blick auf die Wunder der Höhlen werfen?«, fragte Darcy.
    »Ich glaube nicht. Aber vielleicht morgen. Ich schätze, ich sollte sie mir noch mal ansehen, ehe ich abfahre.«
    »Was fängst du denn den ganzen Tag mit dir an?«
    »Mir fällt bestimmt was ein. Rumsitzen und entspannen wahrscheinlich. Ich habe schließlich Urlaub.«
    »Wenn dir doch langweilig wird, kannst du immer noch in die Stadt fahren.«
    »Vielleicht später. Ich bleibe erst mal hier, damit wir zusammen mittagessen können.«
    »Gut. Wie du meinst. Bis später.«
    »Viel Spaß.«
    Als Darcy durch eine Tür hinter dem Ticketschalter ging, drehten sich einige Männer in der Warteschlange nach ihr um.
    Meine Tochter, dachte Chris und empfand die vertraute Regung von Stolz und Sorge. Darcy war schon immer schön gewesen. Als sie ein Kind gewesen war, kamen die meisten Komplimente von Frauen: Verkäuferinnen, Leute, die im Supermarkt an der Kasse anstanden, Fremde, die ihnen auf dem Bürgersteig begegneten. Später hatten die Frauen aufgehört, ihre Schönheit zu kommentieren, und zur selben Zeit hatten Jungen und Männer begonnen, sie wahrzunehmen. Und sie anzustarren. Und sich peinlich zu benehmen. Chris’ Freunde ließen kaum eine Gelegenheit aus zu sagen: »Sie wird einmal eine Menge Herzen brechen.«
    Wahrscheinlich tat sie das auch. Aber nicht mit Absicht, soweit Chris wusste. Das Mädchen war sich bewusst, dass ihre Schönheit nichts weiter als ein glücklicher Zufall war, und sie ließ sich diesen Zufall nie zu Kopf steigen und behandelte nie jemanden schlecht, weil sie ihn oder sie als unterlegen betrachtete.
    Es war Darcys Herz, das so häufig gebrochen wurde, da sie sich ständig in Männer verliebte, die sich als Fieslinge herausstellten.
    Das gehört einfach dazu, dachte Chris. Alle Männer wollen einen, aber so häufig sind es die falschen, die die richtigen Schritte tun. Bei Gott, sie hatte selbst ihr ganzes Leben lang damit zu kämpfen gehabt.
    Darcys Vater war ein erstklassiges Beispiel.
    Verdirb dir nicht den schönen Tag, indem du an ihn denkst, sagte sie sich und ging schnell durch das Touristenzentrum. Sie öffnete eine Tür an der Vorderseite und trat in die Hotellobby. Auf dem Weg zur Treppe warf sie einen Blick zur Rezeption. Ethan Mordock war dort.
    Wo wir gerade von Fieslingen sprechen, dachte Chris.
    Zum Glück hatte er ihr den Rücken zugewandt und telefonierte. Der Mann war bei den wenigen Gelegenheiten, an denen sie mit ihm gesprochen hatte, absolut höflich und nett gewesen, aber er hatte diesen Blick. Wie ein Geier, der seine nächste Mahlzeit begutachtete. Er mochte einem ins Gesicht sehen und über das Wetter reden, doch man hatte ständig das Gefühl, er interessierte sich eher für die Farbe der Unterhosen, die man trug.
    Ein richtiger Widerling.
    Und Darcys Chef.
    Chris eilte die Treppe hinauf und war ein wenig erleichtert, als sie den Absatz erreicht hatte,

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