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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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durchdrehen?«
    Durchdrehen.
    Hey, der Mann ist durchgedreht.
    Tja, scheiße, würdest du das nicht?
    Das hatten die Marines gesagt, die ihn herausgezogen hatten. Nach einer Ewigkeit, die in Wirklichkeit drei Tage gedauert hatte – die Zeit, die sie gebraucht hatten, um das Basislager zurückzuerobern, nachdem es von der nordvietnamesischen Volksarmee beschossen und überrannt worden war.
    »Ich drehe nicht durch«, erklärte Hank Brad. »Du hast ja keine beschissene Ahnung, was Durchdrehen bedeutet.«
    Er spürte, wie Chris sich versteifte, als schockierte es sie zu hören, wie er diese harten Worte ausspie. Er strich ihr über das Haar. Ihr Körper entspannte sich ein wenig. Sie ließ ihre Hände hinab zu seiner Hüfte wandern. »Geht es dir gut?«, fragte sie.
    Er nickte. »Gehen wir weiter.«
    Sie lösten sich voneinander, und er sah, wie Lynn den Kopf schüttelte. »Ich nicht. Auf keinen Fall. Das wird mir zu seltsam. Ich meine, du bekommst Anfälle und … und es stinkt so merkwürdig hier drin. Es hat vorher nicht so gerochen, und das heißt, dass da vor uns irgendwas ist, etwas Totes und Stinkendes, und ich will gar nicht rausfinden, was es ist. Nein, danke. Und die Leute müssen ja noch nicht mal gerettet werden. Wenn ihr nicht zu ihnen vordringt, werden sie einfach durch die Aufzugsschächte rausgeholt, was soll das Ganze also? Es ist dumm. Deshalb könnt ihr ab jetzt nicht mehr mit mir rechnen.« Sie streckte Hank die Laterne entgegen. Er nahm sie am Drahtgriff. »Adios.« Lynn schaltete ihre Taschenlampe an und trat einen Schritt nach vorn, als wollte sie zwischen Hank und Chris hindurchgehen.
    »Warte«, sagte Hank.
    »Dieses Mal kannst du es mir nicht ausreden. Nein. Der Ort strahlt auf mich schlechte Schwingungen aus, richtig schlechte. Also dann, viel Spaß noch.«
    »Moment. Chris, vielleicht solltest du mit ihr gehen. Brad und ich können allein weitergehen, wenn er noch willens ist.«
    Brad nickte.
    »Ich gehe nicht zurück«, sagte Chris.
    »Ich brauche keine Begleitung«, sagte Lynn. »Ich bin schon erwachsen.«
    »Ich bleibe bei dir, Hank.«
    »Irgendwas stimmt hier absolut nicht«, erklärte er.
    »Ich weiß.«
    »Dieser Teil der Höhle sollte eigentlich abgeschlossen sein, oder, Lynn?«
    »So war es, bis wir die Mauer eingeschlagen haben.«
    »Kein anderer Ein- oder Ausgang?«
    »Soweit ich weiß, nicht.«
    »Tja, irgendwas ist hier drin verwest.«
    »Und hat gekackt«, fügte Lynn hinzu.
    »Jetzt wird’s fies«, sagte er zu Chris. »Ich habe … auch ein schlechtes Gefühl.«
    »Also, ich bleibe bei dir.«
    »Tschüs.« Lynn trat zwischen ihnen hindurch und rannte los.
    Hank blickte über die Schulter und sah, wie sie mitten durch den Fluss stürmte und der Strahl ihrer Lampe über die Felsen hüpfte. Dann verschwand sie hinter einer Kurve. Das Platschen ihrer Füße verklang.
    »Lasst uns nah zusammenbleiben«, sagte Hank.
    Er hielt die Laterne vor sich und war sich deutlich bewusst, dass Chris seine andere Hand umklammerte, als er losging. Brad blieb dicht hinter ihnen.
    Obwohl Hank noch immer Atemprobleme hatte, spürte er, dass all seine Sinne in Alarmbereitschaft waren.
    Hier lauerte Gefahr.
    Eine Gefahr, die er spüren und in der leichten Fäulnis der Luft riechen konnte.
    Die Höhle erdrückte ihn nicht länger. Er war nicht in einer Höhle, er war im Dschungel, auf Patrouille. Er wusste nicht, womit er zu rechnen hatte, deshalb rechnete er mit allem.
    Und deswegen keuchte er auch nicht, zuckte nicht einmal bei dem Anblick, der Chris dazu brachte, scharf die Luft einzusaugen, sich an ihn zu drücken und festzukrallen wie eine Katze, die ihm jemand zugeworfen hatte.
    Brad tauchte neben ihnen auf und trat einen Schritt vor. Er schwang die Spitzhacke von der Schulter und hielt sie auf Brusthöhe, als wollte er sie als Waffe einsetzen. Er drehte sich langsam im Kreis und sah zu beiden Seiten. »Mein Gott«, murmelte er. Hank hörte, wie er nun nach Atem rang. Dann klappte der Oberkörper des stattlichen Manns nach vorn, und er übergab sich.
    Ein Stalagmit auf der rechten Seite des Flusses war mit einem durchsichtigen, rosafarbenen Nachthemd bekleidet worden. Armknochen hingen aus den Ärmeln. Ein weiß schimmernder Schädel war auf die stumpfe Spitze der Steinskulptur gesetzt worden. Das Oberteil des Nachthemds war ausgebeult, aber nicht durch Brüste. Durch den zarten Stoff sah Hank zwei fleischlose Köpfe. Jemand hatte kleine menschliche Schädel in das Nachthemd gestopft.

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