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Die Familie: Roman (German Edition)

Die Familie: Roman (German Edition)

Titel: Die Familie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Chance, dachte Hank. Sag ja, und sie verschwindet wahrscheinlich.
    Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass er Mitleid mit ihr hatte. Sie war irgendwie wie ein Kind, eine ungezogene Göre, aber eine Göre, die nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Liebe hungerte.
    Werd nicht weich, sagte er sich. Sie ist eine Nervensäge, und das geht so weiter, wenn du sie jetzt nicht loswirst.
    »Also?«, fragte sie. »Nur ein Wort, dann verschwinde ich von hier.«
    »Ich weiß nicht. Wirst du dich benehmen?«
    »Benehmen? Willst du mich verarschen? Du klingst wie mein Alter.«
    »Ich glaube«, erklärte Brad, »dass Hank dich darum bitten möchte, dich nicht länger wie eine läufige Hündin aufzuführen.«
    »Verschon mich damit, ja?«
    Chris legte Lynn eine Hand auf die Schulter. »Du willst doch nicht allein zurückgehen«, sagte sie.
    Lynn starrte sie an. Ihr schien keine schlaue Entgegnung einzufallen.
    »Setzen wir uns in Bewegung«, sagte Hank. »Nimm die Laterne, Lynn. Du kannst vorgehen, das Ding wärmt dich auch.«
    Nickend nahm sie die Laterne entgegen. Sie drehte sich um und begann, flussaufwärts zu gehen, wobei ihre Schuhe plätschernde Geräusche machten. Brad folgte ihr mit der Spitzhacke auf der Schulter. Chris legte ihre Hand in Hanks. Sie liefen hinter Brad durch das Wasser.
    Sie waren im Schatten. Obwohl Hank die Helligkeit vor sich sehen konnte, schien die Dunkelheit ihn zu erdrücken. Manchmal, wenn Lynn einer Kurve im Flusslauf folgte und hohe Felsen das Licht abhielten, hatte er das Gefühl, die Höhle schrumpfte. Sein Herz klopfte wild. Er bekam schlecht Luft. Wenn die Helligkeit vor ihm auftauchte, ließ der Druck etwas nach.
    Er wünschte, er hätte die Laterne nicht Lynn überlassen.
    Wenigstens hängt sie uns nicht mehr auf der Pelle, sagte er sich. Dann fiel ihm auf, dass ihre nervigen Possen ihn eine Weile so abgelenkt hatten, dass er ganz vergessen hatte, in einer Höhle zu sein.
    Ich sollte ihr dankbar sein, dachte er.
    Ich sollte nach vorn zu der kleinen Dumpfbacke eilen und sie ermuntern, sich weiter zur Schau zu stellen.
    »Riechst du das?«, flüsterte Chris.
    Er schnüffelte in der feuchtkalten Luft. Obwohl er sie eingeatmet hatte, seit er in die Höhle gekrochen war, manchmal sogar verzweifelt keuchend, hatte er sich über ihren Geruch keinen Gedanken gemacht. Nun änderte sich das. Er nahm einen schwachen Gestank wahr, der ihm zuvor nicht aufgefallen war. »Mein Gott«, murmelte er.
    »Es riecht nach … Fäkalien. Und verwestem Fleisch.«
    »Das sind bestimmt …« Er rang nach Atem. »… Tiere. Die müssen hier leben. Und sterben.«
    Der Unterstand lag plötzlich auf ihm, drohte ihn zu erdrücken. Und nicht nur der Unterstand, auch sein Schütze, Willy Jones. Schwärze. Der Gestank von Scheiße. Er wusste, dass Willy verwundet war, er spürte das Blut, das ihn überströmte. Es dauerte nicht lange, bis er merkte, dass Willy tot war. Doch er konnte sich nicht rühren, kam nicht aus der Dunkelheit heraus, nicht unter der Leiche hervor. Die zu verwesen begann.
    »Hank? Hank!«
    Chris stand vor ihm und schüttelte ihn, dann drückte sie ihn fest an sich, während er zitterte und keuchte.
    Es wurde heller. Als er sich zu erholen begann, sah er Brad und Lynn vor sich, die ihn erschrocken anstarrten.
    »Alles okay«, ächzte er.
    »Du bist nicht in der Verfassung, um weiter mitzukommen«, sagte Brad.
    »Vielleicht sollten wir alle umkehren«, sagte Lynn.
    »Nein. Ich muss …«
    »Schon gut«, flüsterte Chris dicht an seinem Ohr. »Das wird schon wieder.«
    »Wodurch wurde das ausgelöst?«, fragte Brad.
    »Wir haben über den seltsamen Gestank gesprochen.«
    »Ja, was ist das für ein Geruch?«, fragte Brad. »Ich habe ihn auch gerade bemerkt.«
    »Tod«, murmelte Hank.
    Chris strich ihm über den Rücken.
    »Hier kann nicht Totes drin sein«, sagte Lynn und schnüffelte. »Es ist ein abgeschlossener Raum.«
    »Was ist das dann für ein Gestank?«, fragte Brad sie.
    Sie zuckte die Achseln. »Es riecht ein bisschen nach Scheiße, finde ich. Aber das ist unmöglich.«
    »Nicht nur nach Scheiße«, sagte Brad. »Als wäre hier irgendwo ein verwesender Kadaver.«
    »Elizabeth Mordock? Vielleicht sind wir in der Nähe der Spalte.« Lynn sah sich grinsend um, als suchte sie danach.
    »Sie ist seit sechzig Jahren tot«, sagte Brad. »Da sind wohl mittlerweile nur noch Knochen übrig.«
    »Vielleicht sollten wir wirklich lieber hier verschwinden.«
    Brad sah zu Hank. »Wirst du noch mal

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