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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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ähnliche Umschläge erhalten, beides Spendenaufrufe für Wohltätigkeitsveranstaltungen in der Nachbarschaft: eine zugunsten von Arthritisleidenden, die andere für Herzpatienten.
    Ungeduldig stieß Miss Bennett mit der Nase gegen Katherines Bein. Sie legte die Post weg und öffnete die Tür.
    Direkt davor stand Brian Campbell. Er wohnte in einem der zweistöckigen Reihenhäuser auf der anderen Seite des Innenhofs, ihr fast direkt gegenüber. Was immer Brian tat, einschließlich warten, tat er mit geradezu schmerzhafter Ungeschicklichkeit. Katherine hatte den Verdacht, es würde einem Außerirdischen leichter fallen, einen normalen Teenager vorzutäuschen, als Brian.
    Als sie ihn das erste Mal vor ihrer Tür antraf, war sie ihm mit höflicher Wachsamkeit begegnet. Doch am nächsten Abend war er wieder da, mit Hundekuchen in der Tasche. Der Hund freute sich schon auf Brians Besuch, und Katherine beschloss, den beiden ihren Spaß zu lassen. Seit sie umgezogen war, hatte sie keinen Besuch gehabt und auch niemanden besucht, und manchmal beschlich sie das Gefühl, sie liefe Gefahr, zur Einsiedlerin zu werden.
    Brian war die ersten Male recht still gewesen, offenkundig zu schüchtern, um eine Erwachsene anzusprechen, und Katherine kam das sehr gelegen. In müßigem Gerede war sie noch nie gut gewesen. Doch zu ihrem Verdruss öffnete er sich im Laufe der Zeit und stimmte den Klagegesang eines Sechzehnjährigen an. Nichts davon war ungewöhnlich oder interessant. Seine Lehrer waren zu streng, die Schule zu hart, seine Eltern verstanden ihn nicht.
    Der arme Brian besaß nichts von dem, was auch immer es war, das Jonathan umweht hatte. Brian konnte einen höchstens an die Schmerzen, die Überempfindlichkeit und die gnadenlose Ungeschicklichkeit der eigenen Pubertät erinnern.
    Neben ihren allabendlichen Spaziergängen mit Brian traf sie ihn gelegentlich auch auf der Straße, wenn er mit seiner Familie unterwegs war. Dann war ihm die Zunge angebunden, und er wirkte noch linkischer als sonst. Nach mehreren gescheiterten Versuchen schaffte er es schließlich, sie seinen Eltern vorzustellen. Mr. und Mrs. Campbell schienen ganz anständige Leute zu sein, vielleicht etwas distanziert und gefühlsgebremst. Sie erinnerten sie ein bisschen an ihre eigenen Eltern. Sie hätte eine beträchtliche Summe gewettet, dass Mr. und Mrs. Campbell sich beklagten, ihr Sohn würde ihnen nie etwas erzählen.
    Eines Nachts schleppte Katherine einen schweren Wäschekorb in den Waschkeller und stieß dort auf Mrs. Campbell, die an einem langen wackligen Metalltisch in der Mitte des Raums stand und einen Berg Wäsche faltete. In der Intimität des warmen, feuchten Raums, mit dem Gestampfe der Waschmaschinen und Trockner im Hintergrund, kam Brians Mutter ein wenig aus sich heraus. Sie wirkte einsam, hungrig nach jemandem, mit dem sie sprechen konnte, und offener als in Gegenwart ihres Mannes. Sie gestand, dass sie sich Sorgen um ihren sensiblen Sohn machte. Er sei immer ein lebhaftes Kind gewesen, wenn auch ein bisschen … hier suchte sie eine Weile nach einem Wort … zart.
    Während seiner frühen Kindheit hatten Mutter und Sohn eine sehr enge Beziehung gehabt, wie sie hervorhob. Aber je näher die Pubertät rückte, desto mehr hatte sich das geändert. Seine Noten waren auf gerade noch ausreichend abgerutscht. Er schien am Schulstoff kein Interesse mehr zu haben. Er schien auch nicht viele Freunde zu haben. Die meiste Zeit verbrachte er in seinem Zimmer und tat wer weiß was an seinem Computer. Er hatte sich eine Website gestaltet, fügte sie hinzu.
    Brians Vater, sagte Mrs. Campbell, war ein guter, hart arbeitender Mann. Er verstand bloß die Feinfühligkeit seines Sohnes nicht, weil er selbst kein sensibler Mensch war.
    Katherine war gar nicht glücklich darüber, zur Beichtmutter der Familie Campbell erwählt zu werden. Sie war mit Sicherheit nicht qualifiziert, irgendjemandem Ratschläge in puncto Familienleben zu erteilen. So erging sie sich in vagen Gemeinplätzen über einen schwierigen Lebensabschnitt und sagte irgendwas, das darauf hinauslief, dass die meisten Leute das heutzutage irgendwie erfolgreich hinter sich brachten. Und, ergänzte sie, es sei wichtig, die Möglichkeit zum Gespräch offen zu halten.
    Mrs. Campbell nickte dankbar, als hätte Katherine etwas zutiefst Weises und Bedeutendes gesagt.
    Und das war's jetzt?, dachte Katherine. Du bist beruhigt durch Smalltalk mit einer kinderlosen, demnächst geschiedenen Frau, die du im

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