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Die Farbe Der Leere

Die Farbe Der Leere

Titel: Die Farbe Der Leere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Webb
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das, als wäre es eine Erklärung von außerordentlicher Bedeutung. »Der Sticker über Ihrer Stoßstange, an Ihrem Auto.«
    Der Aufkleber. Das war es also. Deswegen hatte Brian ihre Gesellschaft gesucht. Darum hatte er sich ein Herz gefasst und beschlossen, ihr seine Probleme anzuvertrauen.
    Sie sollte ihm die Wahrheit sagen. Als sie einen Gebrauchtwagen kaufen ging, war sie berauscht von der Aussicht auf ihr neues Leben. Ohne genau zu wissen, was sie suchte, bemerkte sie den Geruch nach nassem Hund, die zerrissenen Rücksitzbezüge, den fadenscheinigen Fußraumbelag und den regenbogenfarbenen Gay Pride- Stickeram Heck. Als sie den Sticker sah, entschied sie sich spontan zum Kauf. Sie war kein Mensch, der an Botschaften aus dem Jenseits glaubte. Und selbst wenn sie dergleichen für möglich hielte, würde sie nie glauben, dass Seth ihr eine so abgedroschene Nachricht schickte. Trotzdem rührte sie der Sticker. Er erinnerte sie so an ihn.
    Zwar war es nicht ihre Schuld, dass Brian falsche Schlüsse zog, aber nachdem er sich so weit rausgewagt hatte, konnte sie ihn nicht einfach im Regen stehen lassen. »Also ist deine Flamme ein Kerl.«
    Er nickte und strahlte übers ganze Gesicht. Das war nicht derselbe Junge, mit dem sie seit Monaten jeden Abend spazieren ging. Sie hätte schwören können, dass sich sogar seine Haltung leicht verändert hatte.
    »Du hast schon recht. Ich verstehe das.« Sie sprach langsam, als würden die Worte aus ihr herausgezogen, aber er schien das nicht zu bemerken.
    »Ich weiß, Sie werden es keinem erzählen …«
    Sie wartete darauf, dass er weitersprach, aber das tat er nicht. Sie seufzte. »Und vor wem genau willst du das geheim halten?«
    »Eigentlich vor allen. Den Leuten in der Schule, den Jungs. Meinen Eltern – ganz besonders vor meinen Eltern!« Seine Stimme hob sich, während er sprach, bis er den Satz in einer unschönen Lage panischen Quiekens beendete.
    Das Problem mit Teenagern ist, dachte sie, dass sie so unbeständig sind, die Stimmung schwingt heute in die eine Richtung, dann wieder in die andere. Aber sie hatte ihn nicht davon abgehalten, die Katze aus dem Sack zu lassen, also war es nun an ihr, Ordnung in dieses Durcheinander zu bringen.
    Es musste doch in seinem Leben jemanden geben, der sich besser eignete, um dergleichen zu handhaben. Irgendeinen Menschen, dem sie das ganze Problem in den Schoß kippen konnte. »Du musst doch jemanden haben, mit dem du über so was reden kannst?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Ihr sank das Herz.
    »Was ist mit deinem Freund? Vielleicht kennt er jemand, mit dem ihr beide reden könnt?«
    Brians Lächeln flammte wieder auf. So musste er für seinen Geliebten aussehen, dachte sie. Es war etwas Besonderes darin. Etwas, das sie bei ihm nicht vermutet hätte.
    »Er ist großartig. Er ist …«
    Brian ging rückwärts vor ihr, rang nach Worten und gestikulierte mit den Händen. Er stolperte über irgendetwas, schlug beinahe lang hin und fing sich gerade noch ab, so dass er auf dem Hintern landete. Miss Bennett bellte und sprang an ihm hoch, glücklich über dieses neue Spiel.
    Brian lachte. Es war das erste Mal, dass sie ihn lachen hörte. Dann kraulte er Miss Bennett hinter ihrem Schlappohr und rappelte sich vom Boden auf.
    »Na schön«, sagte Katherine nach einer Weile. »Das ist gut. Ihr habt einander, um zu reden.«
    Sein Gesicht verdüsterte sich wieder. »So oft kann ich ihn nicht sehen.«
    »Geht er nicht auf deine Schule?«
    Er schüttelte den Kopf. »Und wir müssen vorsichtig sein.«
    »Ich weiß«, sagte sie. Seit jeher verliebten sich Teenager gegen die Wünsche ihrer Eltern, lange vor Romeo und Julia, und in all dieser Zeit waren Eltern offensichtlich nicht klüger geworden. Begreifen sie denn gar nichts? Wenn es etwas gibt, das aufregender ist als die erste Liebe, dann ist es eine verbotene erste Liebe.
    »Es müsste doch irgendeine Anlaufstelle für schwule Jugendliche an deiner Schule geben.«
    Brian schnaubte verächtlich.
    »Schon gut, entschuldige. Aber irgendwo in der Gemeinde muss es einen Treff für schwule Kids geben. Ich meine, wir sind hier in New York City!« Sein verständnisloser Gesichtsausdruck zeigte ihr, dass diese Worte für ihn nicht dieselbe Bedeutung hatten wie für sie. Wo sie aufgewachsen war, war New York City ein Synonym für Zügellosigkeit und Sittenverfall, für alles Unmoralische und Unerwünschte. »Vielleicht kann ich für dich eine Gruppe oder so was ausfindig machen. Du brauchst unbedingt

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