Die Farbe der Liebe
verarbeiten.
»Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll, Andrei.«
»Der Ball ist wichtiger als wir alle«, erklärte er. »Der Ball ist Schönheit, unser Leben. Wir sind verpflichtet, seinen Traditionen zu folgen, und was auch immer wir tun, wir können uns seinem Bann nicht entziehen.«
»Es ist also kein Zufall, dass ich hier bin? Und was ist mit Lauralynn? Tristan? Der Kapelle in Bristol?« Aurelias Gedanken rasten in alle Richtungen und versuchten zu begreifen, was Andreis Enthüllungen bedeuteten. »Der Rummel in Hampstead … steckst du hinter all …«
»Ja«, gab Andrei zu. »Wir haben Jahre gebraucht, um dich ausfindig zu machen. Das Netzwerk – die Organisation, die uns alljährlich bei der Vorbereitung des Balls hilft und wo viele unserer Darsteller unter Vertrag sind – hat ewig nach deinem Aufenthaltsort geforscht. Schließlich hat jemand Zugang zu deinen Adoptionspapieren bekommen und uns davon in Kenntnis gesetzt, dass wir dich am ehesten in England finden würden. Ich wurde losgeschickt, um zu überprüfen, ob du wirklich die gesuchte Person bist. Wir haben alle Jahrmärkte, jeden Zirkus, alle großen Feste und dergleichen abgeklappert, weil wir dachten, so könnten wir dich am besten finden, denn du würdest dich davon ganz instinktiv angezogen fühlen …«
»Dabei war es gar nicht meine Idee, dorthin zu gehen, sondern die von meiner Freundin Siv. Die jetzt beim Ball ist«, erklärte ihm Aurelia mit wehmütigem Unterton.
»Was für ein wunderbarer Zufall.« Andrei lächelte. »Ich muss gestehen, als ich euch beide zum ersten Mal gesehen habe an jenem Abend, da dachte ich zuerst, Siv wäre vielleicht unsere gesuchte Maîtresse. Ihr Gang, wie sie sich kleidet, wie sie lacht …«
Aurelia dachte nach. Achtlos fuhr sie sich mit den Fingern durchs Haar. Dabei fiel ihr Blick auf das rote Herz an ihrem Handgelenk.
»Du hast mir also nachgestellt?«
»Nein, so war das nicht. Ehrlich.«
»Und was in Bristol geschehen ist, da hast du nur einen Befehl befolgt, das hast du in Pflichterfüllung für den Ball getan?«, fragte sie – und fürchtete seine Antwort.
»Nein«, erwiderte Andrei. »Das ist einfach so passiert. Je länger ich dich beobachtete, desto mehr wollte ich dich. Und als ich dir dann nahe war – auf dem Rummelplatz –, da hat es richtig eingeschlagen. Du hast mich angezogen wie ein Magnet. Ich weiß, dass du es auch gespürt hast. Das hatte ich nicht geplant, da war keine Berechnung dabei. Ich wollte dein Erster sein. Es war wie eine innere Stimme, die mir sagte, dass es so sein müsse. Es hatte nichts mit dem Ball zu tun, ich schwöre es dir. Du warst – du bist – so verdammt schön, und ich hatte das Gefühl, dass alles uns zueinanderführt, dass ich gar nichts dagegen tun kann, selbst wenn ich es wollte. Der Ball wurde nur sehr selten von einem Statthalter geführt, die Aufgabe ist nicht klar definiert. Also habe ich die ganze Zeit improvisieren müssen. Dass ich mich dabei in dich verlieben würde, konnte ich nicht ahnen.«
Warum aber, wunderte sich Aurelia, schaut er mich so verzagt an, wo er mir doch gerade seine Liebe gestanden hat? Und auch sie fühlte sich beklommen, hin- und hergerissen zwischen Angst und Freude.
»Und der Treuhandfonds? Warst das auch du? Oder der Ball?«, fragte sie.
»Wir waren das. Du gehörst zu unserer Familie.«
»Und Lauralynn und Tristan?«
»Tristan ist stellvertretender Statthalter. Und Lauralynn ist bloß eine Weggefährtin. Sie ist ein gern gesehener Gast auf dem Ball, manchmal arbeitet sie auch für uns und das Netzwerk. Wir halten große Stücke auf sie, aber sie ist unabhängig und macht ihr eigenes Ding …«
Andrei ergriff Aurelias Hände, und die Wärme seines Körpers strahlte auf sie aus und umfing sie.
»Ich weiß, das ist alles ein bisschen viel. Aber jetzt haben wir dich gefunden, und du hast uns gefunden, alles andere ist unwichtig …« Er zögerte. »Und es ist deine Entscheidung. Weder ich noch der Ball werden dich zu etwas zwingen«, fügte Andrei hinzu.
»Was für eine Entscheidung?«, fragte Aurelia verwirrt. Sie wusste gar nicht mehr, was sie von all dem halten sollte.
»Ob du die Maîtresse des Balls werden willst. Ob du deine Rolle annimmst.«
Ein kaum merklicher Schauer lief durch das Zimmer, und ihre vier Herzen – das eine in ihrer Brust und die drei auf ihrer Haut – schlugen im Gleichklang.
»Und wenn ich Ja sage?«
»Dann erhältst du die entsprechende Ausbildung«, sagte Andrei mit
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