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Die Farbe der Liebe

Die Farbe der Liebe

Titel: Die Farbe der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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Aurelia blieb die Spucke weg, dass Florence in solchen Schuhen gehen konnte, ohne hinzufallen, aber irgendwie bekam sie das hin.
    »Ist das ihre Arbeitsuniform?«, flüsterte Aurelia Andrei zu, während sie darauf warteten, abgeholt zu werden.
    »Nein«, antwortete er. »Möglich, dass sie sich einfach gern so anzieht. Vielleicht tut sie es aber auch, weil es jemand von ihr verlangt. Aber das ist ja im Grunde das Gleiche …«
    »Wieso?«, fragte Aurelia. Sicher würde sie in der Ausbildung auch etwas darüber erfahren, welchen Sinn solch einschränkende Kleidung hatte. Aber warum sollte sie nicht gleich jetzt mit dem Lernen anfangen, wenn man doch von ihr als Maîtresse erwartete, dass sie solche Dinge verstand?
    »Selbstbeschränkung ist auch eine Art von Freiheit. Sich etwas aufzuerlegen kann bedeuten, sich gehen zu lassen«, erklärte er.
    Aurelia dachte eine Weile über diese Worte nach. Viel Zeit blieb ihr dazu aber nicht, denn schon bald wurden sie von zwei Frauen abgeholt, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.
    Eine trug ein graues Kostüm mit wadenlangem Rock und hatte das Haar zu einem strengen Knoten zusammengefasst. Ihr Auftreten und ihre Sprechweise erinnerten an eine Gouvernante. So jemanden hätte man früher sicherlich respektvoll und ängstlich mit »Fräulein« angesprochen, dachte Aurelia.
    Die andere trug ein dunkelrotes Samtkleid, das sich wie eine Schlangenhaut eng an ihren Körper schmiegte und so lang war, dass es über den Linoleumboden schleifte. Ihr pechschwarzes Haar fiel ihr offen über die Schultern. Etwas Weiches umgab sie, das in starkem Gegensatz zur Strenge ihrer Begleiterin stand. In der linken Hand hielt sie einen Blumentopf mit einem Bonsaibäumchen. Die rot-weiße Blütenpracht des Pflänzchens ließ an Blutstropfen auf Schnee denken. Aurelia war überrascht von ihrem festen Händedruck und der Wärme, die von ihrer Handfläche ausging.
    »Aurelia, wir freuen uns so sehr, dich kennenzulernen«, sagte die Frau in dem roten Kleid mit hochmelodischer Stimme. »Mein Name ist Madame Denoux. Wir werden deine Ausbildung überwachen.« Dabei machte sie eine Kopfbewegung zu der Frau im grauen Kostüm, die sich nicht vorstellte. Dann nickten beide Andrei zu, der wortlos neben Aurelia stand. Es war klar, dass sie einander kannten.
    Anschließend wurden Andrei und Aurelia endlose, monotone Korridore entlanggeführt, die das Gebäude durchzogen wie die Gänge eines Bienenstocks, bis sie vor einer großen Flügeltür ankamen, die sich zu einem gepflegten Garten hin öffnete.
    Es war eine fernöstlich inspirierte Miniaturlandschaft mit perfekt getrimmten Pflanzen zwischen Felsarrangements, Bächlein und kleinen Teichen, die Ruhe und Präzision ausstrahlte. Aurelia holte tief Luft. Hier, wo das Wasser murmelnd über glatte Steine floss und hellgrüne Blätter sich sanft im Wind wiegten, entkrampften sich ihre Schultern wie von selbst.
    Andrei drückte fest ihre Hand. Sie war so eine nüchterne Atmosphäre wie die der Verwaltungszentrale des Netzwerks nicht gewöhnt, aber der Garten strahlte etwas Zeitloses aus. Hier schien jedes Blättchen am richtigen Platz zu sein. Hier könnte sie sich zu Hause fühlen.
    In der Mitte des Gartens erhob sich eine große, offene, einstöckige Pagode. Sie stand etwas erhöht auf einer Plattform und war von einer Seite über einige Stufen zu erreichen. Ohne jedes Möbel wirkte sie eher wie ein Musikpavillon oder eine Bühne und nicht wie ein Ort, an dem man sich in Ruhe niederlassen und den Garten genießen konnte.
    Das Zentrum der Pagode bildete ein runder Raum, der wie ein Aquarium verglast war. Sie folgten einem gepflasterten Weg über den Rasen, traten in die Pagode ein und nahmen hinter Madame Denoux und der Frau im grauen Kostüm Aufstellung, als die beiden an die Glasscheibe herantraten. Beide legten eine Hand auf eine Stelle, die für Aurelia so aussah wie jede andere, und das Glas glitt mit leisem Surren zur Seite. Die Frauen winkten sie heran, und gemeinsam schritten sie über die Schwelle.
    »Das hat dein Vater entworfen«, flüsterte Andrei Aurelia zu. Sie nahm diese Information wortlos auf. Vielleicht, überlegte sie, wäre es angesichts dessen, was sie hier erleben würde, besser, so etwas gar nicht zu wissen.
    Sie waren in eine sehr schlicht eingerichtete Schlafzimmer-Suite eingetreten. Das Lager bestand aus einem niedrigen Futon, der mitten im Raum stand. Er war nur über vier schmale Brücken zu erreichen, die den Raum in vier gleiche

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