Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Doch hier mussten sie ins Gebäude gehen und mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock fahren, wo sie zwei benachbarte Zimmer hatten.
Als sie Ronnies Zimmertür erreichten, schloss sie auf, und Sykes schob die Tür für sie auf. Sie trat ins Zimmer und ließ ihn im Flur stehen, doch statt zu seinem eigenen Zimmer weiterzugehen, hielt er seine Aktentasche hoch, die er aus dem Auto mitgebracht hatte. »Warte mal kurz.«
Er griff hinein und zog eine kleine Reisetube Zahnpasta hervor.
Ronnie machte große Augen, als hätte sie noch nie etwas so Wunderbares gesehen. » Im Ernst? «
»Ja. Aber putzen musst du mit dem Finger. Ich habe nur eine Zahnbürste dabei – die würde ich zwar gern mit dir teilen, aber ich möchte nicht, dass du dann das große Flattern kriegst und denkst, wir würden fest miteinander gehen oder so was.«
Ronnie konnte nicht anders, sie ballte eine Faust und boxte ihm leicht auf den Oberarm. »Knallkopf.« Dann griff sie nach der Zahnpasta. »Aber du bist ein gut vorbereiteter Knallkopf, deswegen verzeihe ich dir. Hast du sonst noch was in deiner Zaubertasche?«
»Jaha. Ich hab immer ein paar Sachen hier drin, für den Fall, dass ich verreisen muss.«
»Aber ein T-Shirt und einmal Unterwäsche zum Wechseln für eine Frau hast du nicht zufällig dabei, was?«
Ein freches Grinsen erschien auf seinem müden, schönen Gesicht. »Ich hab zwar ein T-Shirt, aber das trage ich im Moment gerade selbst.«
Ronnie überlief ein Schauer, als sie sich vorstellte, wie dieses T-Shirt sich anfühlen würde, ganz warm von seinem Körper, weich und sexy und von seiner muskulösen Gestalt geformt. Und wie es riechen würde – sinnlich und nach Moschus und Schweiß. Männergeruch gehörte zu ihren liebsten Dingen auf der Welt, und sie stellte sich vor, wie dieser Duft sie einhüllen würde, wenn sie Jeremy das T-Shirt auszöge.
Sie schluckte. Wohl wissend, dass sie mit Feuer spielte, murmelte sie: »Jetzt sag bitte nicht, dass du auch Damenunterwäsche trägst.«
Er lachte leise. »Leider nicht.«
»Und du hast auch wirklich keine in deiner Wundertasche?«
Jetzt schluckte er, bevor er sich das leicht graue Kinn rieb. Ronnie hörte das schabende Geräusch, so nah stand sie vor ihm, und wieder überlief sie ein Schauer. Dass er in der Aktentasche auch einen Rasierapparat mit sich herumschleppte, bezweifelte sie, aber es war immerhin möglich.
Doch sie hoffte nicht. Ronnie mochte den Fünf-Uhr-Schatten, der sein kräftiges Kinn noch betonte. Sie stellte sich gern vor, wie die Bartstoppeln über ihre Haut strichen.
»Komisch, ich habe dich für eine Frau gehalten, die es überflüssig findet, im Bett was anzuziehen«, antwortete er schließlich. Seine Stimme war ein Schnurren.
Ihre Blicke begegneten sich, ließen sich nicht mehr los. Sie hatten gerade mit Worten gespielt, hatten in diesen Momenten beide die Spannung aufgebaut, und das nur wenige Meter entfernt von einem großen Hotelbett, weit weg von zu Hause, von allen, die sie kannten, und allen, die sonst noch mit diesem Fall zu tun hatten.
Auch wenn sie beide geschworen hätten, dass es keine Absicht gewesen war, vermutete Ronnie im tiefsten Innern, dass sie zu einem bestimmten Zweck hierher gekommen waren.
»Also, Sloan, bittest du mich herein?«
Und da war er. Der Moment, auf den sie seit Monaten hingelebt hatten, seit sie sich in Texas kennengelernt hatten, seit Ronnie den FBI -Agenten zum ersten Mal gesehen, taxiert und als umwerfendes Arschloch eingestuft hatte. Seitdem hatte sie ihn gewollt, mit einem fast verzweifelten Verlangen.
Sie leckte sich über die Lippen. »Können wir das hier von dem trennen, was du im Auto gesagt hast?«
Er hätte lügen können. Hätte Versprechungen machen können, die er gar nicht halten wollte.
Aber so war Sykes nicht.
Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Das geht nicht.«
Die nackte Aufrichtigkeit zusammen mit der Sehnsucht in seinem Gesicht ließ Ronnies Widerstand dahinschmelzen und machte ihn noch um ein Vielfaches anziehender. Sie kannte all die Gründe, warum sie ihn nicht hätte hereinbitten, sondern ihm eine gute Nacht wünschen und die Tür schließen sollen.
Aber es gab auch einen guten Grund, ihn zu sich einzuladen: Es war unausweichlich. Es war unausweichlich, dass sie zusammenkamen. Seit ihrer ersten Begegnung.
Es war Zeit für eine Entscheidung. Ja oder nein. Und plötzlich wusste Ronnie eins ganz genau: Sie wollte später nicht bereuen, dass sie diese Chance verpasst hatte.
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