Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
ihn gewesen. Denn von dem Moment an, als er Sykes im Krankenhaus kennengelernt hatte, hatte er gewusst, dass sie ein Paar werden würden. Vielleicht nicht für immer, vielleicht nicht einmal für länger, aber zumindest für ein Weilchen würde Ronnie diesem Sykes gehören.
Vielleicht hatte er deswegen nach dem Telefonat noch einen Umweg gemacht, war nicht gleich in die Dienststelle gefahren, wie er Ronnie gesagt hatte, sondern in eine nette Kneipe, die er gern besuchte, wenn ihm danach war, fünfe gerade sein zu lassen und einen draufzumachen. Die Kneipe hieß nicht etwa Rusty , weil der Besitzer rote Haare gehabt hätte oder weil es sein Spitzname war, sondern weil das Gebäude aussah, als wäre es abbruchreif. Die Rollläden und die Fensterrahmen waren voller Rostflecken, die Bodendielen löchrig und zerschrammt, die Tische klebrig und wackelig.
Und der Alkohol hochprozentig und billig.
Daniels war ein paar Tage lang nicht betrunken gewesen, und das hatte ihm wirklich gefehlt. Heute Abend, während Ronnie in Richmond war und wahrscheinlich ihre letzte mentale Hürde überwand, sodass zwischen ihr und diesem Scheiß-Sykes endlich etwas passieren konnte, war ein verdammt guter Zeitpunkt, um sein Alkoholfasten zu brechen.
Er war kurz vor zehn angekommen, hatte sich einen Hocker am Ende der Theke gesucht und einen Bourbon ohne Eis bestellt. Ein paar Stammgäste hatten ihn begrüßt und ihn gefragt, wo er denn gewesen sei.
Keiner der Kneipenbesucher wusste, dass er ein Bulle war, und das sollte auch so bleiben. Wenn den Leuten klar wurde, dass ein bewaffneter Gesetzeshüter anwesend war, waren sie immer ein bisschen auf der Hut. Da es Daniels aber lieber war, wenn Alkohol und Gespräche ungehindert fließen konnten, hielt er sich im Allgemeinen aus den gelegentlichen Prügeleien heraus und drückte auch ein Auge zu, wenn an den Tischen im Hintergrund Verhandlungen über unerlaubten Sex stattfanden. Zum Glück brauchte er keine Drogengeschäfte zu ignorieren. Der Besitzer des Rusty mochte zwar ein Raubein sein, aber sein eigener Sohn war von Pure V abhängig geworden und in der Leichenhalle gelandet, daher hatte der Wirt null Verständnis für solchen Scheiß und duldete ihn nicht.
Nachdem Daniels seinen Bourbon heruntergekippt hatte, war er auf Bier umgestiegen. Er musste noch nach Hause fahren und wollte nicht mit Alkohol am Steuer erwischt werden. Daher war er jetzt zwar nicht sturzbesoffen, hatte sich aber doch einen netten kleinen Rausch angetrunken. Der Alkohol dämpfte seinen Frust wegen Ronnie und Sykes. Linderte den Schmerz.
Trotz der Hitze und der Gerüchte über den Mord im Weißen Haus war die Stimmung ringsherum recht gut, und Daniels hatte sogar einige nette Gespräche führen können. Aber inzwischen hatte er mehrere Stunden in der lauten Kneipe verbracht, und sein Rausch war wieder abgeklungen. Stattdessen kehrte die Neugier, die die Arbeit des vergangenen Tages in ihm geweckt hatte, mit Macht zurück. Er zog die Ausdrucke der Internetseiten mit den Informationen über die sechs mysteriösen Todesfälle heraus und überflog sie. Die Berichte waren recht nüchtern und sachlich, und wenn die beiden Männer nicht durch die OEP -Kamera im Kopf eine Gemeinsamkeit gehabt hätten, hätte er einfach angenommen, es handle sich wieder mal um zwei Typen, die dem Stress nicht mehr gewachsen gewesen waren, einen Rappel gekriegt und den gewaltsamen Ausweg gesucht hatten.
»Hey, Kumpel, ist doch Freitagabend, die Arbeitswoche ist vorbei!«, sprach ein fremder junger Mann an der Bar ihn an. Grinsend hob der Unbekannte sein Glas.
»Eigentlich ist schon Samstagmorgen«, erwiderte Daniels mit einem Lächeln. »Aber Sie haben ja recht. Ich muss jetzt nicht hier dran arbeiten.«
Daniels faltete die Seiten zusammen und steckte sie wieder in die Tasche. Es war Zeit, sich auf die Socken zu machen. Seine Gedanken waren jetzt wieder da, wo sie sein sollten – bei seinem Fall. Er hatte eindeutig genug Stunden damit verschwendet, sich Sorgen zu machen, was vielleicht zwischen seiner Partnerin und diesem Superhelden geschehen oder nicht geschehen würde. Er warf einen Blick auf die Uhr. Fünf vor halb zwei, in einer guten halben Stunde würde das Lokal schließen. Früh um sieben wollte er wieder im Dienst sein, das war in fünfeinhalb Stunden. Zeit, nach Hause zu fahren.
Da er noch mal pinkeln musste, bevor er aufbrach, ging er Richtung Klo. Als er zurückkam, stand ein Bierkrug mit seinem Lieblings-Gezapften vor seinem
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