Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
Stirn, denn diese Vorstellung gefiel ihr gar nicht, aber Kilgore hatte offenbar genug. »Mr. Wilders bleibt hier«, brüllte er. Fast flehend fügte er hinzu: »Entschuldige bitte, Jack.«
»Schon gut«, sagte der Manager und schenkte Ronnie ein schwaches Lächeln. »Im Namen der Vorsicht darf Detective Sloan sich schon mal irren.«
Dieses Kompliment verbesserte ihre Stimmung nicht. Die Besprechung lief wirklich nicht gut. Sie nahm sich vor, herauszufinden, wie gut Kilgore und Wilders sich kannten. Da Kilgore hier auf der Baustelle als leitender Special Agent des Secret Service arbeitete und Wilders für das ganze Projekt zuständig war, hatten sie wahrscheinlich täglich miteinander zu tun. Wie kuschelig.
Überstimmt und besiegt nickte Ronnie und zog sich aus dem Geplänkel zurück. Wenn es um Megalomanen ging, die gern den starken Mann markierten, musste sie genau hinsehen, wann und mit wem sie sich anlegen wollte.
Als die Hälfte der Anwesenden den Raum verlassen hatte und ansonsten nur noch Polizeimitarbeiter sowie Tate und sein Sohn geblieben waren, ergriff der Leiter des Elektronik-Forensik-Teams das Wort. »Die Auswertung der Daten auf dem Identi-Chip im Arm des Opfers sowie die bisherigen Funde am Tatort lieferten eine ganze Menge Informationen über das Verbrechen. Gestern Nachmittag um acht Minuten nach zwei beschleunigte sich die normale Herzfrequenz des Opfers.«
Kurz nach zwei. Genau zu dem Zeitpunkt, als alle sich hektisch den Vorbereitungen widmeten. Was hatte die Frau dazu gebracht, zum Weißen Haus herunterzukommen, wenn weiter oben auf dem Platz gleich eines der größten Ereignisse des Jahrzehnts beginnen sollte? Und was hatte sie nervös gemacht? Warum hatte ihr Herz schneller geschlagen? Hatte sie sich in den Keller gewagt, festgestellt, wie dunkel es da unten war, und sich dann gefragt, ob jemand sie skrupellos in eine Falle gelockt hatte?
»Etwa um zehn nach zwei wird ihr Körper von einer nicht identifizierten Energie durchströmt.«
»Elektroschockpistole«, murmelte Ronnie.
Der diensteifrige kleine Gerichtsmediziner, der sich offenbar gern reden hörte, warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. »Die Verkrampfung des Muskelgewebes könnte auf einen derartigen Apparat hindeuten.«
Ja. Oder darauf, dass Leanne einen Drahtkleiderbügel in eine Steckdose geschoben hatte, was Ronnie aber für unwahrscheinlich hielt.
Sie schloss den Mund fest und nickte dem Experten versöhnlich zu, damit er weitersprach.
»Ihr Puls bleibt mehrere Minuten erhöht, und ihr Blutdruck steigt erst und beginnt dann um vierzehn Uhr fünfundzwanzig zu sinken.«
Sie blutet.
Er hatte mit dem Schneiden begonnen.
»Auch ihre Atmung folgt diesem Muster, mehrere Minuten lang kurze, schnelle Atemzüge, die dann im Laufe der Zeit flacher werden.«
Sie ringt angstvoll nach Luft.
Bis ihre Lungen sich allmählich mit ihrem eigenen Blut füllten?
»Der Blutdruck fällt allmählich so weit ab, dass er kaum noch lebenserhaltend ist, dann hört die Atmung auf. Die letzten Kontraktionen des Herzens treten etwa um fünfzehn Uhr zwanzig auf, und kurz darauf sind im Gehirn keine elektrischen Impulse mehr messbar.«
Achtzig Minuten.
Du lieber Himmel. Die Frau hatte die erste Attacke um fast anderthalb Stunden überlebt und jede einzelne Sekunde miterlebt. Nach dem ersten Adrenalinstoß war die Angst gekommen, dann das Entsetzen. Schmerz, dann Verwirrung und schließlich der Tod.
Ronnie schloss kurz die Augen und ließ die Bilder in sich aufsteigen. Ihre Erfahrung und ihr Vorstellungsvermögen füllten die Lücken. Sie konnte fast sehen, wie der Mörder gespannt zuschaute, als er das Fleisch seines Opfers mit der Klinge aufschlitzte. Hatte er sich so nah zu ihr gebeugt, dass er die warme Luft ihrer panischen Atemzüge auf der Haut spürte? Hatte er es genossen, tief einzuatmen, um den Geruch des Blutes aufzusaugen, das heiß aus ihren Wunden quoll?
Ja. Ja, so stellte Ronnie es sich vor.
Er hatte vermutlich langsam angefangen, weil er das Entsetzen seines Opfers als Vorspeise genießen wollte. Als er es bis auf den letzten Rest ausgekostet hatte, hatte er mit dem Hauptgang begonnen: mit ihren Schmerzen. Und ihre Angst hatte der Mahlzeit Würze gegeben. Die Verstümmelung nach ihrem Tod war dann sein Dessert gewesen.
Ronnie öffnete die Augen und holte tief Luft. Instinktiv war sie sich sicher: Der Täter hatte diese Frau nicht nur getötet, nein, er hatte ein Festmahl daraus gemacht.
Alle schwiegen, ließen die
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