Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
mitfühlend und gleichzeitig ein wenig überlegen. Als seien starke Emotionen ihm ein Gräuel.
Tja, für reiche Playboys mochte das wohl gelten, aber Ronnie konnte nicht anders, sie hatte Mitleid mit dem Mann. Wenn er als Chef auch nur ein wenig Sympathie für seine Untergebene aufgebracht hatte, mussten diese Fotos ihn völlig fertigmachen.
Doch dann drängte sich ihr die Frage auf, was der Mann überhaupt hier machte. Im Moment sollte dieser Raum eigentlich ganz und gar dem Ermittlungsteam vorbehalten sein.
Kilgore hatte seine Verbalattacke auf seine Untergebenen endlich beendet, sah sich um und brüllte Zeiler an, er solle die Besprechung beginnen.
Der derart getadelte Agent errötete und räusperte sich, um die Aufmerksamkeit der Anwesenden zu gewinnen. »Also gut«, sagte er mit erhobener Stimme, »jetzt sind wir alle da. Lassen Sie uns mit der Lagebesprechung beginnen.«
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde verstand Ronnie, warum Hinz und Kunz zu dieser Besprechung, die eigentlich nur für die Polizei hätte sein sollen, zugelassen worden waren. Die Nachricht von dem gestrigen Verbrechen, so wurde berichtet, hatte Camp David in seinen Grundfesten erschüttert. Angeblich hatte der Präsident persönlich verlangt, dass einige der Führungskräfte, die am Patriot-Square-Projekt mitarbeiteten, auch an der Lagebesprechung teilnahmen.
Aber Leute wie der Vorarbeiter und der leitende Architekt? Da hätten sie doch gleich den nächstbesten Maurer, der vorbeikam, hereinbitten und ihm eine Tasse Kaffee anbieten können. Und der Vorgesetzte des Opfers? So ein Blödsinn. Selbst wenn er der Leiter des gesamten Wiederaufbauprojektes gewesen wäre, hätte er gerade aufgrund seiner Beziehung zu Leanne Carr eigentlich draußen bleiben müssen.
Wären Kilgore und Zeiler etwas couragierter gewesen, dann hätten sie die Zivilisten ausgeschlossen, ganz egal, was Götter und Generäle verlangten, dachte Ronnie. Sie jedenfalls hätte das getan, wenn der optische Chip gefunden worden wäre und sie bei diesen Ermittlungen etwas zu sagen gehabt hätte. Als Erstes hätte sie dann alle, die nichts mit der Polizei zu tun hatten, aus dem Raum gescheucht.
Und als Zweites hätte sie sich Kilgore, den leitenden Special Agent, vom Hals geschafft.
Aber sie hatte hier nichts zu sagen, jedenfalls noch nicht. Und Zeiler schien im Moment zu zögern, den Fall an sie zu übergeben, obwohl er heute morgen doch fast dazu bereit gewesen war … vielleicht lag das an seinem Chef, der schweigend und mit vor der Brust verschränkten Armen in einer Ecke saß wie eine dicke fette Spinne, die die Fliegen beobachtete, die sich in ihrem Netz verfingen.
Ronnie fragte sich unwillkürlich, wie sehr den Leuten vom Secret Service überhaupt daran gelegen war, den verschwundenen Körperteil des Opfers zu finden. Im Moment schien es ihnen völlig auszureichen, alles unter Kontrolle zu behalten, während sie eilfertig den ganzen politischen Dreck schluckten, den das so mit sich brachte. Vielleicht erklärte das, warum diese Typen so hohe Positionen innehatten, während sie selbst immer eine schlichte Kriminalbeamtin bleiben würde.
Doch sie wollte nicht mit ihnen tauschen. Nicht um alles in der Welt.
Alle versammelten sich um einen Konferenztisch, der rasch aus ein paar Sägeböcken und einer riesigen Sperrholzplatte errichtet worden war, und wurden still. Zeiler ging die relevanten Fakten des Mordfalls durch und fragte dann die Männer, die mit der Baustelle vertraut waren, nach Informationen. Ronnie erfuhr nichts Neues – während sie mit Mark Daniels draußen gewesen war, war kein Kopf aufgetaucht.
Endlich sah Zeiler den Chef der Forensik an und bat ihn, seinen Bericht abzugeben. Doch bevor dieser Fachidiot auch nur ein Wort sagen konnte, musste Ronnie sich räuspern. Sie konnte einfach nicht mehr schweigen. Allgemeine Hinweise zu den Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle waren eine Sache. Spezifische Infos über den Mord aber waren etwas ganz anderes.
»Sie haben etwas zu sagen, Detective Sloan?«, fragte Zeiler. Ronnie sah, dass Kilgore hinter ihm sich auf seinem Stuhl vorgebeugt hatte. Es sah aus, als hätte er Zeiler eine Hand in den Arsch geschoben und würde ihn wie eine Kasperlefigur durch die Besprechung führen.
»Ich wollte vorschlagen, dass die Zivilpersonen jetzt den Raum verlassen«, sagte Ronnie in höflichem, ruhigen Tonfall.
Der Bauleiter, Frank Soundso, nickte und sprang auf, offenbar heilfroh, dass er verschwinden konnte. Der
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