Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
ist.«
Mark lachte in sich hinein. »Jeder Psychopath, der mit dem Elektroschocker auf dich losgeht, wird ganz schnell spüren, wie er das Ding in den Arsch gerammt kriegt und seine Prostata einen höllischen Schlag abkriegt.«
»Aber hallo!«
»Sei einfach … vorsichtig«, ermahnte Mark sie.
»Wird schon klappen. In einer halben Stunde bin ich zurück.«
»Dreißig Minuten. Dann komme ich hinterher.«
»Okay, Papi.«
Daniels lächelte, als sie sich zum Gehen wandte, aber sie wusste, dass er gleich wieder ernst werden würde. Er machte sich Sorgen um sie, Sorgen um diesen Fall. Ein Grund, weswegen Ronnie es zur OEP -Ermittlerin gebracht hatte, war ihre Ausbildung. Die OEP -Ermittler mussten teils Polizisten, teils Psychotherapeuten sein. Sie mussten sich in die Menschen hineinversetzen können, die sie beobachteten. Ronnie hatte an der Georgetown University in Washington zwei Hauptfächer studiert, nämlich Strafrechtspflege und Psychologie, und in beiden einen Abschluss gemacht. Daniels wusste, dass sie ihre erlernten Fähigkeiten und Techniken bei der Ermittlungsarbeit einsetzen würde, und er machte sich Gedanken, welche Auswirkungen das auf sie haben könnte.
Ronnie hingegen war unbesorgt. Bisher jedenfalls. Wenn sie die Ermittlungen in diesem ersten richtigen Fall abgeschlossen hatte, würde sie darüber nachdenken, ob die Methode, sich ganz in die Gedankenwelt des Opfers hineinzuversetzen, den psychischen Preis wert war, den man dafür entrichtete. Doch im Moment schien es die klügste Vorgehensweise zu sein.
Die Bauaufzüge funktionierten zwar, aber Ronnie entschied sich für das nächste Treppenhaus. Wie eine Tiefseetaucherin wollte sie Zeit haben, um sich mental auf den Abstieg vorzubereiten, um die Vernehmungen und den Papierkram hinter sich zu lassen und sich gedanklich ganz Leanne zuzuwenden, ja, fast in ihre Haut zu schlüpfen.
Vorhin war das Haus noch voller Menschen gewesen, vor allem Ermittler und Zeugen waren durch die Gänge gelaufen, aber auch Bauarbeiter, die darauf warteten, dass sie wieder an die Arbeit gehen konnten. Vor einigen Stunden hatten sie für einen Teil des Gebäudes die Genehmigung dazu erhalten, und obwohl es draußen inzwischen stockdunkel war, hörte Ronnie noch das Brummen schwerer Maschinen. Sie würden rund um die Uhr schuften, um die verlorene Zeit aufzuholen.
Während Ronnie langsam die Treppe zum ersten Untergeschoss hinunterging, wurde das Brummen leiser. Das Erdgeschoss war hell erleuchtet gewesen, aber bei ihrem Abstieg in die Unterwelt empfing sie tiefe Finsternis.
Ihre Stiefelabsätze klapperten auf dem Betonboden, und bei jedem Schritt wurde das Klicken lauter. Als sie unten angekommen war, wurde ihr bewusst, dass vom Scheppern und Surren der Bauarbeiten nichts mehr zu hören war. Das neue Weiße Haus wurde nach ganz strengen Vorschriften gebaut und würde eines Tages so gut gegen Bomben geschützt sein, wie es heutzutage nur möglich war. Folglich drang auch kein Lärm durch die Mauern. Gestern war es natürlich lauter gewesen, auch hier unten. Ganz gleich, wie schalldicht der Bau sein mochte, der Lärm von fünfundfünfzigtausend Menschen, Musikkapellen, schweren Fahrzeugen und Feuerwerk war mit Sicherheit auch durch den Beton und die Isolierschichten gedrungen.
Hatte Leanne ihn gehört? Hatte sie auf die Feierlichkeiten gelauscht, die weit über ihr abgehalten wurden, und sich gefragt, wie das Leben dort fröhlich weitergehen konnte, während sie selbst gefoltert und verstümmelt wurde? Ronnie konzentrierte sich auf diese Frage, dachte wie das Opfer.
Dazu brauchte es weder große Anstrengungen noch viel Vorstellungsvermögen.
Ja, natürlich hatte Leanne solche Gedanken gehabt. Das wäre jedem so gegangen.
Ronnie blinzelte. Sie bemühte sich, diesen Moment, den das Opfer bestimmt durchlebt hatte, hinter sich zu lassen, und schaute sich um. Das Untergeschoss war nicht nur menschenleer, es wirkte auch etwas unheimlich. Sie öffnete den Mund ein wenig und sog langsam durch die Zähne den Atem ein. Es war so still, dass sie den Luftstrom hörte.
Statt weiterzugehen ins nächste Untergeschoss, zu ihrem eigentlichen Ziel, blieb sie auf dem Treppenabsatz stehen, mit der Hand auf dem provisorischen Geländer. Zwischen diesem Treppenhaus und dem Hauptflur war noch keine Tür eingebaut worden, und sie konnte in den weiten, geräumigen Gang hineinsehen, der eines Tages zu Dutzenden von Büros führen würde.
Ronnie verließ die Treppe und betrat diese leere
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