Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
irgendwann ist sie dann ganz zugewachsen.«
»Und du bist eigentlich zu schlau, um wie ein Pornostar zu leben. Entweder fällt dein Schwanz eines Tages ab, weil du eine Geschlechtskrankheit kriegst, oder eine Frau hackt ihn dir ab, weil du sie gekränkt hast.«
Max lachte. »Okay, okay, ich bin ja schon still.«
»Danke.«
Er wechselte das Thema. »Du arbeitest also an dem Mord im Weißen Haus?«
Ronnie erstarrte. Seit sie das Krankenhaus verlassen hatte, hatte sie den Nachrichten keine Beachtung geschenkt, und sie hatte keine Ahnung, wie viel an Informationen durchgesickert war. »Ja. Was hast du darüber gehört?«
»Nur, dass da vor ein paar Tagen eine Frau umgebracht wurde.«
Uff.
»Und eine Menge Blödsinn, dass sie ganz zerhackt war und so ’n Scheiß. Niemand glaubt das so richtig.«
Noch mal uff. »Gut.«
»Wie sieht’s denn da jetzt aus?« Anscheinend interessierte Max sich mehr für das Bauprojekt als für den Mordfall.
»Sie sind überraschend weit«, erklärte Ronnie. Sie dachte an die Stunden, die sie kürzlich im berühmtesten Haus der Welt verbracht hatte. »Drinnen ist es schon viel besser als draußen. Es war irgendwie komisch, über die Flure zu gehen und ins Oval Office, und sich dabei vorzustellen, wie es vor fünf Jahren ausgesehen hat. Sie bauen es ganz genau so wieder auf, wie es damals war.«
Sogar mit einem blöden Tunnel, von dem die Öffentlichkeit nichts erfahren soll.
Seine Hände bewegten sich nicht mehr. Ronnie musste gar nicht hochschauen, um zu sehen, dass er eine Denkpause einlegte … fast einen Moment der Stille, so wie nahezu jeder es tat, wenn das Thema zur Sprache kam.
Da am 20. Oktober 2017 so viele Menschen umgekommen waren und ein ganzes Viertel von einer der größten Städte der Welt von der Landkarte verschwunden war, wurde das Attentat auf den Präsidenten manchmal fast übersehen. Präsident Turners Tod würde immer nur ein grauenhaftes Ereignis unter anderen sein, kein bedeutsamer, für sich stehender Moment in der Geschichte, so wie die Morde an John F. Kennedy oder an Abraham Lincoln. Für die Terroristen war der Tod des Präsidenten einfach ein willkommener Nebeneffekt gewesen. Sie hatten sich darüber gefreut, aber eigentlich war es ihnen nicht darum gegangen, durch ein Attentat die Regierung zu destabilisieren. Nein, sie hatten das ganze Land so in Angst und Schrecken versetzen wollen, dass es zu einem gewaltigen Umbruch in der Politik kommen würde.
Ja, und das hatten sie erreicht.
»Eine meiner Kundinnen war am Dienstag bei der Einweihungsfeier«, sagte Max nun. Plötzlich klang sein Ton gedämpft. »Sie hat erzählt, es sei wie früher gewesen – wie bei der Rede von Martin Luther King oder dem Amtsantritt von Obama.«
»Vielleicht abzüglich neunhunderttausend Menschen.«
»Ja. Aber vermutlich wirkte es so voll, weil alle Besucher sich auf relativ engem Raum drängeln mussten und die Masse sich nicht zu beiden Seiten des alten Reflecting Pool verteilen konnte.«
Ronnie überlegte kurz, Max zu fragen, ob seine Kundin vielleicht zufällig einen Mann gesehen hatte, der mit Blut bespritzt war oder einen Kopf mit sich herumtrug, aber das war leider höchst unwahrscheinlich.
»Ich wäre nicht hingegangen, auch wenn ich eine von den Lotteriekarten gewonnen hätte«, sagte Max, während er wieder schnippelte und zupfte. »Ist mir ganz egal, ob überall Kameras waren, ich würde mich in Washington niemals mehr in einer derart großen Menschenmenge aufhalten.«
Kameras. Überall Kameras.
Ja, natürlich. Pressekameras und Überwachungskameras auf den Armeefahrzeugen. Ein Ermittler in der Dienststelle hatte die Aufgabe erhalten, die Filmaufnahmen durchzugehen und nach verdächtigen Aktivitäten in der Nähe des Weißen Hauses zu suchen. Da Ronnie jetzt von dem Tunnel wusste, der neben dem Washington Monument endete, nahm sie sich vor, dafür zu sorgen, dass der Kollege bei seiner Suche darauf achtete.
Außerdem dachte sie noch über etwas anderes nach. Alle Staaten hatten über eine Lotterie Eintrittskarten ausgegeben. Nur tausend Stück pro Staat.
Das ist höchst unwahrscheinlich. Wirklich total unwahrscheinlich.
Trotzdem, es war immerhin möglich, dass einer der fünfundfünfzigtausend Veranstaltungsbesucher ebenfalls OEP -Testperson gewesen war. Und wenn er oder sie sich nun mit der implantierten Kamera in der Nähe der Halle aufgehalten hatte, unter der dieser geheime Tunnel endete?
Ronnies Herz klopfte eine Spur schneller. Ja,
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