Die Farbe des Todes: Ein Veronica-Sloan-Thriller (German Edition)
anfangs konnte sie es gar nicht glauben.
Das Hemd war offen, aus der Hose herausgezogen. Leanne küsste seinen Hals, konzentrierte sich auf die Muskelstränge. Dann auf sein Kinn – glatt, haarlos. Auf seine jugendlich wirkende Wange. Auf seine kleine, gerade Nase.
Dann auf seine Lippen, zum Kuss geöffnet.
Leanne und ihr Lover sahen sich an, und er bewegte sich ein wenig, als wolle er ihr Gesicht besser sehen. In diesem Moment fiel das Licht vom Fenster wie ein Scheinwerfer auf seine Gesichtszüge.
Ronnie fand ihren Verdacht bestätigt. Sie erkannte den Mann sofort, war aber so schockiert, dass sie es immer noch kaum glauben konnte.
»Der?«, rief Mark ungläubig. »Das war der Typ, über den sie sich hergemacht hat? Dieses Jüngelchen hat ein Gehänge wie ein Rennpferd?«
»Ja«, murmelte Ronnie. Sie war gar nicht so erstaunt, dass Leanne sich ausgerechnet diesen Mann als Liebhaber ausgesucht hatte, und sie wunderte sich auch nicht so sehr darüber, dass er so gut bestückt war. Nein, am meisten schockte sie sein Verhalten nach Leannes Ermordung.
Wie hatte er es vermocht, da unten in dem Keller zu stehen, die zerfleischten Überreste seiner Geliebten im Blick, und Ronnie als Ermittlerin den ersten Bericht über die Lage am Tatort zu geben?
Der mysteriöse Liebhaber des Mordopfers war nämlich genau der Mann, der Ronnie zu Leanne Carrs Folterkammer geführt hatte: Special Agent Bailey.
13
Wie Dr. Eileen Cavanaugh vorhergesagt hatte, fühlte Ronnie sich schon viel besser, als sie am nächsten Morgen aufwachte. Sie war zwar noch nicht völlig wiederhergestellt, aber ihre Kopfschmerzen waren endlich verschwunden, und auch von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen war nichts mehr zu spüren. Dass die Klammern in ihrer Kopfhaut ein wenig juckten, hielt sie für ein gutes Zeichen.
Nachdem sie rasch geduscht hatte, zog sie ihre Arbeitskluft an und begab sich in die Küche. Statt nur schnell einen Happen zu essen und sich auf den Weg zu machen, wie sonst meistens, bereitete sie sich ein üppiges Frühstück zu. Sie hatte unglaublichen Hunger, da sie im Krankenhaus fast nichts zu sich genommen und sich gestern Abend mit einer Mahlzeit aus dem Gefrierschrank begnügt hatte. Also machte sie ein paar Rühreier, briet Speck, kochte Kaffee und presste Orangen aus.
Sie machte genug Frühstück für zwei. Nicht, weil sie über Nacht einen Gast gehabt hätte – nein, Mark war natürlich nicht bei ihr geblieben. Er war etwa um eins gefahren, nachdem sie noch mehr von Leannes Bildern durchgesehen hatten und eine weitere nicht jugendfreie Begegnung zwischen dem Mordopfer und Agent Bailey gefunden hatten.
Nein, es war nicht Mark, der vielleicht noch das Frühstück mit ihr teilte. Sie hatte ihm schon angekündigt, dass sie heute ein bisschen später in der Dienststelle erscheinen würde. Beim Essen sah sie wiederholt auf die Uhr und wartete darauf, dass es an der Tür klopfte.
Um zehn vor acht war es so weit.
»Ich weiß, dass du da bist, Mädel, mach auf und lass mich sehen, wie schlimm es ist.«
Ronnie biss sich auf die Lippe, weil sie wusste, dass Max ausrasten würde, wenn er sie sah. Sie öffnete die Tür. »Guten Morgen.«
»Aua!«
Er kam hereingestürzt, ein Wirbelwind aus Hand- und sonstigen Körperbewegungen, und schob sie sofort auf einen Küchenstuhl, um den Schaden in Augenschein zu nehmen.
Max war charmant, hatte Geschmack und war einfach hinreißend. Er arbeitete als Friseur und hätte eigentlich schwul sein müssen. Stattdessen war er mehr hetero als alle anderen Männer, die Ronnie kannte. Wenn es um Frauen ging, war er noch schlimmer als Mark, und eigentlich hätte er eine Drehtür im Eingang zu seiner Wohnung gebraucht, um seinen Flammen das Ein- und Ausgehen zu erleichtern. Zur Illustration des Begriffes Hurenbock hätte man sein Foto ins Netz stellen können, und er liebte es, lachend von seinen sexuellen Eroberungen zu erzählen, wenn er sich mit Ronnie auf ein Bierchen oder zu einem Kinoabend traf.
Zum Glück fand er Ronnie nicht attraktiv. Er mochte sie – liebte sie sogar, wie er oft sagte – , aber wenn es um Sex ging, beschränkte er sich strikt auf den mädchenhaften, schwachen und hilflosen Frauentypus. Eigenschaften, mit denen Ronnie so gar nicht dienen konnte.
Das war gut. Sie mochte Max, sehr sogar, hätte sich aber um keinen Preis mit ihm eingelassen. Das Ding zwischen seinen Beinen hatte schon in mehr Frauen dringesteckt als die meistverkaufte Tamponsorte, und Ronnie warnte ihn
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