Die Farbe Des Zaubers
Weise.
»... Das war dumm und gedankenlos!« tobte Molin Fackelhalter und schüttelte die Faust. »Wenn Shupansea zornig genug ist, Schritte zu unternehmen, wie sehen wir dann aus? Sie hat tausend Krieger!«
Chenaya hatte mehrere Ketten um ihre Taille geschlungen. Sie löste eine und hängte sie um Molins Hals. Ein Ende hatte einen Haken.
»Du hast den Angriff auf Daphnes Karawane befohlen, Onkel Molin.« Sie hob eine Hand, ehe er es abstreiten konnte. »Leugne es nicht. Ich weiß es. Ich sah alles, auch dein Gesicht, in einer Kristallkugel!«
Molin bemühte sich gar nicht, sein Gelächter zu unterdrücken. »Du beschuldigst mich, weil du etwas in der Kristallkugel einer Wahrsagerin gesehen hast? Du bist so verrückt wie Daphne!«
»Nein, Onkel«, entgegnete sie. »Ich sah die Wahrheit. Ich war nicht bei einer gewöhnlichen Weissagerin! Ich versprach Daphne die Namen jener, die für ihre schrecklichen Qualen verantwortlich sind. Bei den Göttern, jeder von ihnen hat den Tod verdient. Die Geierinsel ist noch schmutziger und verruchter als Freistatt.« Sie hakte die Kette um seinen Hals zusammen und schob die Hände zu seiner Kehle hoch. »Ich verließ Freistatt vor drei Monaten mit dem Vorhaben, nach Überlebenden der Kaiserlichen Familie zu suchen und sie zu retten. Und ob zum Guten oder Bösen, du gehörst zur Familie. Ich werde dich Daphne nicht aushändigen. Wenn wir je die Chance kriegen, gegen Theron vorgehen zu können, brauchen wir vielleicht jemanden mit deinen Fähigkeiten, um Intrigen zu spinnen.« Sie hakte die Kette um seinen Hals wieder aus, glättete eine Falte an seiner Tunika. »Und falls wir diese Chance nie kriegen«, sie lächelte, »werde ich selbst mit dir abrechnen.«
Molin richtete sich stolz auf. »Drohe mir nicht, Nichte! Die Götter gaben dir Macht, aber vergiß nicht, daß ich deine Geheimnisse kenne. Ich weiß, wie du sterben kannst!«
Chenaya packte Molin und zerriß den Saum ihres eigenen Gewandes, als sie ihn hochhob, über die Balkonbrüstung legte und ihn drehte, so daß er nach unten sehen konnte.
»Du weißt wie«, knurrte sie, »aber nicht wann.
Möchtest du mich ertränken, Onkel? Mich in den Fluß werfen? Du törichter alter Mann! Nachdem ich dahinterkam, welch eine Schlange du bist, lernte ich sofort schwimmen. Du kennst meine Geheimnisse, aber überleg mal, was sie dir nützen.« Sie stellte ihn wieder auf die Füße und freute sich, als sie kleine Schweißperlen auf seiner Stirn glänzen sah.
Molin rieb sich den Rücken. »Sei verdammt! Wirst du denn nie der Spielchen müde? Langweilt es dich nicht, immer zu gewinnen?«
Überrascht warf sie den Kopf zurück und lachte. »Onkel, du machst mir Spaß! Das Schöne ist nicht das Gewinnen, sondern die Wirkung meines Sieges auf den Verlierer zu sehen!«
Sie ließ ihn stehen. Im Saal war das Stimmengewirr noch angeschwollen. Shupansea war nicht zurückgekehrt, auch Kadakithis war nirgendwo zu sehen. Daphne bewegte sich mit Dayrne als Begleiter durch die Menge, und immer wieder war ihr glockenklares Lachen zu hören. Lowan und Rosanda standen allein in einer Ecke in ein Gespräch vertieft.
»Stimmt es, daß Ihr in den Rankanischen Spielen ungeschlagen seid?«
Chenaya blickte abfällig auf den kleinen Mann, der es gewagt hatte, sie am Arm zu stupsen. Er bot ihr einen Kelch Wein an, den sie ablehnte, und wiederholte seine Frage.
»Ihr seid Terry, nicht wahr?« sagte sie. »Der Steuereintreiber?«
Sein Gesicht leuchtete auf, und er verbeugte sich. »Derselbe.«
Chenaya rümpfte die Nase und ahmte seinen Tonfall nach. »Stimmt es, daß Ihr der verhaßteste Mann von Freistatt seid?« Seine Brauen schossen hoch. Sie ging weiter, ehe er noch etwas sagen konnte. Der Mann, der Lastel hieß, kam ihr entgegen.
Seltsam , dachte sie. Nichts ist so, wie ich es mir vorstellte. Sie hatte den Sieg davongetragen, doch einen bitteren Geschmack im Mund. Sie entsann sich, was sie zu Daphne gesagt hatte: Auch der Sieg kann einen hohen Preis fordern.
Ohne ein Wort zu irgend jemandem stieg sie die Stufen hinauf, nickte Lu-Broca zu und verließ den Palast. Ein paar Gäste unterhielten sich miteinander auf dem Vashankaplatz innerhalb der Palastmauern. Sie machte einen Bogen um sie. Vor dem Tor zur Hauptstraße warteten vier ihrer Gladiatoren mit der Sänfte auf sie. Zu spät dachte sie daran, daß sie ihren Umhang im Palast gelassen hatte. Nicht so schlimm, sie würde ihn morgen holen lassen. Jetzt wollte sie nichts als nach Hause, in ihre
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