Die Farbe Des Zaubers
Siveni.
Noch ein Mann, ein großer, breitschultriger, blonder Mann kam aus der Tür und fluchte. Tyr knurrte und wollte ihn anspringen. »Nein, Tyr!« rief Mriga und bekam sie gerade noch am aufgestellten Nackenfell zu fassen — glücklicherweise, denn fast wie durch Zauberei war ein Messer in der rechten Hand des Mannes erschienen, und es fehlte nur ein Moment, dann wäre es in Tyrs Hals gelandet. Tyr stand auf den Hinterbeinen, knurrte und versuchte heftig, sich loszureißen, doch Mriga hielt sie fest. »Jetzt ist keine Zeit für persönliche Streitigkeiten!« zischte sie. Die Hündin beruhigte sich; Mriga ließ sie los, behielt sie jedoch im Auge. »Straton, ist die Dame angezogen?«
Er starrte sie an, nicht weniger verblüfft durch die unverschämte Frage, als vom Anblick dieser Eindringlinge: eine bewaffnete, von innen heraus leuchtende, göttlich erhabene Frau mit funkelnden Augen, eine zerlumpte, dünne Bettlerin, die durch ihren Schmutz hindurch zu glimmen schien; und der kleine, dünne Hund mit verbitterten Augen und einem Ausdruck, den er von Stiefsöhnen kannte, die dabei waren, für einen verlorenen Gefährten Rache zu nehmen. »Haught«, sagte er, »geh hinein und erkundige dich.«
»Nicht nötig«, erklang die Stimme einer vierten Person hinter ihm im dunklen Eingang, eine weiche, schläfrige und gefährliche Stimme. »Haught, Stilcho, wo habt ihr eure Manieren gelassen? Bittet die Damen herein. Dann verzieht euch eine Zeitlang. Straton, würdest du uns entschuldigen? Sie sind nur Göttinnen, ich komme mit ihnen zurecht.«
Hintereinander stiegen die drei Männer die Stufen hinunter, während die Besucher sie hinaufgingen; voraus die Hündin mit gefletschten Lefzen, so daß ein oder zwei Fänge zu sehen waren; hinter ihr die grauäugige Speerträgerin, die sich mit der kühlen, kaum merklichen Verachtung einer großen Dame umsah, die dabei ist, ein notwendiges Geschäft in einem Schweinestall abzuschließen; als letztes kam die Bettlerin, der Straton einen Blick entspannter Geringschätzung widmete. »Halt dich zurück«, sagte er zu Tyr drohend und doch ruhig.
Mriga sah ihn an. »Der Braune hat Sehnsucht nach Euch«, sagte sie leise und trat an ihm vorbei ins dunkle Haus.
Sie achtete nicht auf den haßerfüllten Blick, den er wie ein Messer auf ihren Rücken warf. Wenn ihr Plan Erfolg hatte, war Vergeltung unnötig. Sie war normalerweise keine rachsüchtige Göttin. Aber in Stratons Fall, nur dieses eine Mal, würde sie eine Ausnahme machen.
Ischades Wohnzimmer im Erdgeschoß war viel größer, als es sein dürfte, wenn man die Außenmaße des Hauses bedachte. Es war ein wirres Durcheinander kostbarer Stoffe in unzähligen Farben; Seiden und Pelze waren sorglos über Möbelstücke geworfen. Männerkleidung lag herum, ein abgetragener Feldumhang; dreckige Stiefel standen auf elfenbeinfarbener Seide, um den Holzboden nicht schmutzig zu machen; ein prächtiges Cape aus dunkelrotem Samt lag zur Hälfte im offenen Kamin und schwelte, ohne daß die Gastgeberin es bemerkte.
Ischade war eine aufmerksame Gastgeberin. Sie schenkte ihrem Besuch Wein ein und stellte eine Schale Wasser und eine zweite mit gehacktem Fleisch vor Tyr. Als sie alle saßen, blickte sie ihre Gäste mit dunklen Augen an und wartete. Für die Augen Sterblicher hätte sie wahrhaftig gefährlich ausgesehen, auch ohne die Glut in ihrem Gesicht, die von dem Liebesakt herrührte, den sie unterbrochen hatte. Mriga blickte sie jedoch ruhig an und sagte: »Wir brauchen Eure Hilfe!«
»Ihr beschädigt mein Eigentum, zerstört meine Schutzzauber und beunruhigt meine Diener«, entgegnete Ischade. »Findet ihr nicht auch, daß das eine merkwürdige Art ist, darum zu ersuchen?«
Siveni legte den Speer zur Seite. »Eure Schutzzauber und Euer Gartentor sind unbeschädigt wieder an Ort und Stelle. Und was Eure Diener betrifft — sie sind etwas schwerfällig. Man sollte meinen, daß eine Persönlichkeit mit Euren ... Fähigkeiten besser bedient werden sollte.«
Ischade lächelte - Mriga wußte, daß ihr Blick in Abwind und der Oberstadt, in Palästen und in der Gosse gleichermaßen gefürchtet wurde. »Schmeichelei?« fragte sie. »Lassen sich Göttinnen zu so etwas herab? Dann braucht ihr mich also wahrhaftig. Nun gut.« Sie nippte an ihrem Kelch und betrachtete die beiden über seinen Rand hinweg. Es war ein langer Blick aus dunklen Augen, in denen Feuerschein schimmerte und noch etwas: Spott, Interesse, Berechnung. Siveni runzelte die Stirn
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