Die Farbe Des Zaubers
und wollte nach ihrem Speer greifen. Ein Blick Mrigas hielt sie zurück.
»Wirklich Göttinnen?« Ischade stellte ihren Kelch ab. »Oder >Göttin< in der Einzahl? Grauaugen, soviel ich mich entsinne, war nie eine zwiefältige Gottheit.«
»Bisher«, berichtigte Mriga. »Madam, Ihr hattet eine kleine Rolle in dem Geschehen. Darf ich Euch daran erinnern? Vor noch gar nicht so langer Zeit, gegen Mitternacht, seid Ihr auf einen Mann gestoßen, der eine Alraunenwurzel ausgrub...«
»Harran, der Barbier. Richtig.«
»Ich wurde in den Zauber mithineingezogen. Er band uns alle drei eine Weile in Göttlichkeit zusammen. Doch einer der drei fehlt. Harran ist tot.«
Wieder blickten die dunklen Augen über den Rand des Kelches. »Ich dachte, er wäre den — Unannehmlichkeiten in der Kaserne entgangen. Zumindest war er nicht unter den Toten.«
»Vergangene Nacht«, warf Siveni finster ein, »hat Euer Liebster ihn getötet.«
Tyr knurrte.
»Das tut mir leid«, bedauerte Ischade. »Wie seltsam das Schicksal spielt ... Eure Angelegenheit, welcher Art sie immer auch ist, erfordert offenbar meine Hilfe — und verhindert, daß Ihr an irgend jemandem unter meinem Dach Rache nehmt.« Sie nahm einen Schluck Wein. »Frustration ist ein Problem unter den Sterblichen, ihr dagegen werdet anscheinend recht gut fertig damit.«
Mriga runzelte die Stirn. Die Frau war unerträglich — aber sie mußten sie nehmen, wie sie war, und das wußte sie. Es war absolut unmöglich, ihre Hilfe zu erzwingen. »Ich habe einige Erfahrung mit Sterblichen«, sagte Mriga. »Kommen wir jetzt zur Sache, Madam. Ich würde gerne wissen, welche Art von Bezahlung Ihr für einen gewissen Dienst verlangt.«
Eine dieser dunklen Brauen hob sich leicht spöttisch. »Immer die bestmögliche. Doch muß der Dienst von der Art sein, die ich gern tue — und die Bezahlung von der Art, die mich erfreut. Ich habe meine eigenen Vorlieben, müßt Ihr wissen. Doch Ihr habt mir noch nicht gesagt, um welchen Dienst es sich handelt.«
»Wir möchten zur Hölle«, sagte Siveni.
Ischade lächelte und verkniff sich taktvoll die unwillkürliche Antwort darauf. »Das läßt sich leicht bewerkstelligen«, sagte sie. »Die Höllenpforten sind für jene, die ihre Geheimnisse kennen, Tag und Nacht geöffnet. Doch den Weg zurück zu finden, wieder ans Licht zu gelangen, das ist wahrhaftig schwierig, und noch schwieriger für euch beide.« Sie musterte Siveni. »Ihr wart nie sterblich; Ihr könnt nicht sterben. Und obwohl Ihr Erfahrung darin habt, sterblich zu sein«, sagte sie nun zu Mriga, »seid Ihr offenbar noch nicht gestorben. Doch nur die Toten wandeln in der Hölle!«
Mrigas Allwissenheit flüsterte ihr etwas zu. »Es wäre nicht das erste Mal, daß sich Götter dorthin begeben«, sagte sie.
»Einige Götter sind dorthin und nicht wieder zurückgekehrt«, sagte Siveni und blickte Mriga warnend an, während sie sie stumm an die Tochter von Dene Schwarzgewand erinnerte, an die fröhliche Sostreia, die einst die jungfräuliche Frühlingsgöttin gewesen und zur schrecklichen und namenlosen Königin und Braut der Hölle geworden war.
»Es stimmt«, bestätigte Ischade. »Der Ausgang ist immer ungewiß, wenn sich Götter in jene Regionen wagen.« Doch ihr Blick war nachdenklich nach innen gewandt, und als ihre Augen sich einen Herzschlag später wieder Mriga zuwandten, wußte die Göttin, daß sie gewonnen hatte. Interesse sprach aus ihnen und die Hoffnung, daß irgend etwas geschähe, was die schreckliche Langeweile vertreiben würde, von denen die Mächtigen so häufig befallen werden. Dieses Interesse verbarg sich hinter Ischades gleichmütiger Miene auf ähnliche Weise, wie sich Stilchos ehemals gutes Aussehen hinter seinen Narben verbarg.
»Ein fesselndes Problem«, überlegte Ischade nunmehr laut. »Sterbliche Seelen könnte ich mühelos dorthin schicken — dafür genügte ein Messer — und zurückrufen. Die Körper würden allerdings tot bleiben. Doch das läßt sich bei euch zwei nicht machen — Eure Beschaffenheit ist das Problem. Die Seelen von Gottheiten umgeben und schließen den Körper ein, statt umgekehrt wie bei den Sterblichen. Die Körper zu töten nutzt nichts. Eine Seele zu töten — ein Widerspruch an sich — ist unmöglich.« Sie seufzte ein wenig. »Bedauerlich manchmal, aber in letzter Zeit wird es hier ziemlich eng.«
Feuerschein glitzerte in Ischades Augen, als sie sich kurz weiteten. »Aber ich könnte wenigstens vorübergehend etwas gegen diese
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