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Die Farbe Des Zaubers

Die Farbe Des Zaubers

Titel: Die Farbe Des Zaubers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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sollen. Macht ist etwas Persönliches.«
    »Ihr braucht nicht mitzukommen«, rief Siveni, die vor ihnen ging, ohne sich umzudrehen. »Ihr habt Euren Teil der Abmachung bereits erfüllt. Allerdings haben wir Euch noch nicht bezahlt...«
    Ischade ging ohne zu stocken weiter, doch eine Sekunde lang wirkten ihre Augen hart, woran nicht die Spiegelung von Sivenis Blitzen schuld war. »Übertragt eure Ängste nicht auf mich, junge Göttinnen«, warnte sie mit sanfter Stimme und belustigtem Blick. »Es besteht kein Grund, weshalb ich vor einem Besuch bei ihr zurückscheuen sollte.«
    Mriga und Siveni schwiegen, während Tyr kurz winselte und mit dem Schwanz wedelte und Ischades Seite den ganzen Weg nicht verließ. Ischade schien es nicht zu bemerken.
    »Seht«, sie deutete. »Das Tor.«
    Das Südtor ähnelte dem von Freistatt sehr und machte deutlich, daß auch hier nicht alle Gefühle erloschen waren: die Pfosten waren mit Schmierereien bekritzelt, die auf die VFBF und andere Faktionen hinwiesen. Aber es gab hier keine Wachen, keine Stiefsöhne, nichts als die eisernen Torflügel, die offenstanden. Der große Hof dahinter lag ganz im Dunkeln, und das Wimmern der Hölle wirkte gedämpft. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes erhob sich ein Bauwerk, das aus der Ferne wie der Statthalterpalast ausgesehen hatte, sich hier jedoch als eines erwies, das Ranke selbst in seiner Blüte nicht hätte errichten können. Es prunkte mit Ebenholzportalen und Onyxkolonnaden, mit rauchschwarzen Säulen und Veranden, mit Stockwerk um Stockwerk dunkler Pracht, die sich schließlich in der tiefen Wolkendecke verloren. Ischade zögerte nicht einen Augenblick. Ihre anmutige, schwarzgewandet wirkende Gestalt schritt unbeirrt zu dem mächtigen Bauwerk, und die kleine Hündin trottete neben ihr her.
    An der Schwelle blickte Siveni Mriga an. »Mriga, horch, tu uns allen einen Gefallen: überlaß mir da drinnen das Reden!«
    Mriga starrte sie an: »Schwester, woran denkst du?«
    »An das gleiche wie du. Preise. Hör zu, du hast genügend Macht, sie hinterher zu bezahlen...«
    »Und wo beabsichtigt du zu sein?«
    »Fang jetzt nicht an«, mahnte Siveni, »sonst verlieren wir sie aus den Augen.« Sie folgte Ischade.
    Mriga ging hinter Siveni her, und ihr Herz wurde zu Eis. »Außerdem ist es mein Priester, um den es hier geht«, sagte Siveni.
    »>Dein< ...! Siveni, wage ja nicht ...«
    Die Freitreppe ragte vor ihnen auf, und Ischade hatte sie bereits zu einem Drittel erklommen, ehe die Göttinnen sie und Tyr einholten.
    Schweigend stiegen sie den Rest der Stufen gemeinsam hinauf. Mriga war bewußt, wie heftig ihr Herz hämmerte. Sie überquerten den breiten Beischlag, der ganz in Gagat gefliest war, und näherten sich dem Portal, hinter dem sich tiefe, stille Schwärze erstreckte. In dieser Finsternis leuchtete Sivenis Speerspitze nur schwächlich, wie der rauchende Docht einer Lampe, und die Blitze verloren sich sogleich in der Unendlichkeit der Nacht.
    Sie traten ein.
    Weit, weit von der Tür brannte in der langen Halle ein Licht aschgrau. Es kam von drei Quellen, doch es dauerte viel länger, Einzelheiten zu erkennen. Die vier waren schier endlos durch diese Stille geschritten, die jeden Laut verschluckte und fast jeden Gedanken, ehe Mriga bewußt wurde, daß das aschfahle Licht von Kohlebecken kam. Es dauerte noch länger, bis die zwei Onyxthrone zu sehen waren, die zwischen zwei breiten Becken auf Dreibeinen standen. Ein paar Schritte weiter wurde Mrigas Mund trocken, und sie blieb stehen. Ihr Mut verließ sie — denn auf dem rechten Thron saß jemand.
    Nicht daß Mriga unvorbereitet gewesen wäre, sie wußte sehr wohl, wen sie hier antreffen würde — die süße junge Göttin des Frühlings, die sich in den Gott der Toten verliebte und um ihrer Liebe willen gestorben war — ihre einzige Möglichkeit, dem Himmel zu entkommen und an seiner Seite über die Hölle zu herrschen. Doch Mrigas Vorbereitungen erwiesen sich nun als sinnlos. Als einzige in der ganzen Hölle trug die ehemalige Frühlingsgöttin weiß: ein Jungfrauengewand, das selbst im traurigen Licht der Kohlebecken leuchtete. Unter dem Jungfernschleier brannte ihre Schönheit, das Feuer der Jugend, unwiderstehlich wie Sivenis Schönheit, aber ohne ein Versprechen auf Erlösung. Die Höllenkönigin saß stolz auf dem Thron, kühl, leidenschaftslos und schrecklich. Auf dem Schoß hatte sie ein Schwert liegen, doch die Klinge war schwarz; und die Waagschalen lagen dick mit

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