Die Farbe Des Zaubers
hatte, wies das Wasser ebenso ab wie jegliche andere Zauberei. Mit den Bewohnern des Hauses sah es allerdings anders aus. Bisher hatte Schnapper Jo ihr die grünen Hausschlangen ferngehalten — sechs Fuß lange Kreaturen mit starrem Blick, der beunruhigender war als das drohende Funkeln der beysibischen Schlangen. Außerdem gab es noch Untote mit leeren Augen und dem Verwesungsgeruch unbegrabenen Fleisches; und verschiedene Sklaven, deren Körper zwar noch atmeten, deren Seelen jedoch geflohen waren oder schlimmer noch in einer schrecklichen Wirklichkeit gefangen waren, aus der sie in flüchtigen Augenblicken des Bewußtseins Gilla um Erlösung von ihren Qualen anflehten.
Selbst eine Stube voll Kinder einen ganzen verregneten Monat im Haus zu haben — was bisher Gillas Vorstellung des Fegefeuers gewesen war —, war damit verglichen der Himmel. Und natürlich hatte Gilla nie zugelassen, daß ihr Zuhause so verwahrloste, nicht einmal, als sie in tiefster Armut am Rand des Labyrinths gelebt hatte.
Gegen ihren Willen leistete sie der Zauberin gute Dienste. Zwei Tage lang hatte sie Hausputz gemacht — Ordnung geschaffen, geschrubbt, die dicken Staubschichten beseitigt. Mehrere Körbe voll Unrat warteten vor Roxanes Küchentür bereits darauf, weggeschafft zu werden.
Doch das war bedauerlicherweise alles, was Gilla gelungen war. Sie hatte so heftig überlegt wie gearbeitet, doch immer noch keinen Plan. Nun lehnte sie sich auf ihren Besen, atmete schwer und blickte durch das noch schmutzige Fenster und den öligen Schimmer des Schutzschirms hinaus auf den unaufhaltsamen Regen.
»Regen fällt oben und unten in der Stadt«, sagte Schnapper Jo vergnügt, »schwemmt alles fort — Hütten, Paläste, alles. Das ganze frische Fleisch treibt vorbei ...«, fügte er seufzend hinzu.
»Freu dich nicht über die Überschwemmung!« fauchte Gilla. »Meine Kinder sind in der Stadt.« Sie unterdrückte ihren instinktiven Appell an das nicht vorhandene Mitgefühl des Dämons. Als einzige Entgegnung auf ihr Flehen, ihr die Flucht zu ermöglichen, hatte er lediglich Roxanes Befehl, sie zu bewachen, wiederholt.
»Fette Dame ist Mama? Schnapper Jo hatte nie Mama — armer Schnapper Jo ...« Er blickte sie nachdenklich mit seinen verschiedenfarbigen Augen an. »Fette Dame soll Schnapper Jos Mama werden!« rief er schließlich begeistert.
Gilla blickte auf dieses geistlose Grinsen und schauderte. Sie dachte an ihre Kinder. Vedemir war seltsamerweise ein Krieger geworden, und Vanda erblühte zu einer Schönheit, wie sie ihr selbst versagt geblieben war — diese beiden zumindest konnten sich selbst durchbringen. Ihr nächstältester Sohn, Ganner, war noch bei Herewick, dem Goldschmied, in der Lehre, und da es auf den Straßen so gefährlich war, sah sie ihn nur ganz selten. Sie konnte hoffen, daß er sich in Sicherheit befand, auch er war dabei, auf eigenen Füßen zu stehen. Doch die beiden Kleinen brauchten sie. Wie kam Lalo allein mit ihnen zurecht? Gilla richtete sich mit einer Bewegung auf, die so unaufhaltsam war, wie eine Flutwelle, die gegen die Küste brandet. Sie mußte nach Hause!
Ein Untoter stapfte die Kellerstiege hinauf und wischte sich die schmutzigen Hände an den Fetzen seines Kittels ab. Gilla fragte sich, ob Roxanes Schutzzauber auch unter die Erde reichte. Doch sie wäre nicht imstande, sich freiwillig da hinunterzubegeben, nicht einmal, um zu fliehen.
Der Untote prallte gegen Schnapper Jo, der knurrte und ihn zur Seite stieß.
»Totes Ding, marsch in die Erde zurück!« Der Dämon deutete auf die Stiege.
»Es ist naß in der Erde«, sagte der Untote stumpf. »Laß mich hinausgehen.«
»Nein, nicht hinaus ...« Schnapper Jo schüttelte den Kopf. »Sie sagt, nichts darf jetzt durch den Hausschirm. Wenn totes Ding es versucht, wird sie einen schlimmeren Ort finden als dort!«
Der verwesende Kopf drehte sich um, und Gilla vermeinte eine Gefühlsregung in den leeren Augen zu erkennen. Dann ließ der Tote die Schultern hängen und schleppte sich langsam die knarrende Stiege wieder hinunter.
Als er verschwunden war, stieß Gilla heftig den Atem aus, um ihre Nase von dem Verwesungsgestank zu befreien. Sie hatte fast vergessen gehabt, daß es in diesem Haus noch unerfreulichere Gesellschaft gab als Schnapper Jo.
»Ihr möchtet also, daß ich Eure Mama bin?« fragte sie grimmig.
»Mama gibt Sohn frisches Fleisch.« Der Dämon lächelte albern, und Gilla schluckte. Schnapper Jos Tischmanieren drehten ihr den Magen
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