Die Farbe Des Zaubers
Kommando und zwei schlaksige Burschen von Zips Trupp versuchten, einen Damm zu errichten. Es war ein buntes Durcheinander aus Holz von den Viehpferchen in der Nähe, Stämmen entwurzelter Bäume, die sie aus dem Fluß gefischt hatten, und alles mögliche, was sich für den Deichbau verwenden ließ.
Schon jetzt spülte Wasser über die hohe Uferböschung. Den niedrigen Grund unterhalb der Brücke zu schützen war unmöglich, doch wenn sie nördlich davon, von der Brücke bis zum Ende der alten Stadtmauer, einen Deich errichten konnten, ließe sich vielleicht der mittlere Teil der Stadt retten.
Als andere ihnen den Baumstamm abnahmen, richtete sich Lalo auf und rieb sich den Rücken. Sogar Vedemir keuchte, und er war wahrhaftig noch jung. Lalo fragte sich, wie lange er das durchhalten konnte — seit einer Ewigkeit hatte er seine Muskeln nicht mehr als unbedingt nötig beansprucht, und er befürchtete nun, daß sie ihn im Stich lassen würden.
Trübsinnig starrte er auf den Fluß, diese schlammige Schlange, die sich unheildrohend aufbäumte, während sie verdaute, was sie bereits 119 verschlungen hatte, und sich überlegte, was sie als nächstes in sich hineinstopfen könnte. Er wunderte sich, daß das Wasser nicht stärker floß, da wurde ihm bewußt, daß der Südwind es dämmte und auszuscheren zwang, statt es harmlos ins Meer strömen zu lassen.
Hexerei, dachte er grimmig und fragte sich, was Randal wohl unternahm. Aber es gehörte mehr als ein tysianischer Hasard dazu, diese Katastrophe aufzuhalten. Seine Schultern hingen müde vornüber. Im Augenblick wäre ihm sogar die Einmischung eines rankanischen Sturmgotts willkommen gewesen.
»Vater — schau auf die Brücke!« Vedemir schüttelte ihn am Arm und brüllte über den Sturm hinweg.
Lalo drehte sich um. Er hörte das Ächzen und Knarren überbeanspruchten Holzes und sah die Brücke wanken, als eine besonders gewaltige Woge sich gegen sie warf. Das Wasser hatte inzwischen fast die Straße erreicht. Wieder zupfte Vedemir an seinem Ärmel.
»Es ist jemand darauf — er will sie überqueren!«
Lalo spähte in den Regen. Vedemir mußte sich täuschen. Jeder Abwinder, der nicht bereits wie eine Ratte im Loch ertrunken war, hatte sich inzwischen auf höheren Grund gerettet. Doch es bewegte sich dort tatsächlich jemand!
Etwas regte sich in ihm wie eine aufflackernde Flamme. Er machte ein paar Schritte auf die Brücke zu. Die Bewegung wärmte ihn, daß er schneller gehen konnte. Vedemir wollte ihn aufhalten, doch dann watete er hinter ihm her.
»Es ist eine Frau ...«, keuchte der Junge.
Lalo nickte und fing zu laufen an. Ganz deutlich hörte er jetzt das Ächzen des gequälten Holzes. Die Brücke bebte, und die Frau stolperte, dann stapfte sie weiter und benützte den Besen, den sie bei sich trug, als Stock. Ihr klatschnasses Gewand klebte an ihrem Körper, der die erstaunliche Kraft einer Urgöttin hatte; fast konnte man glauben, daß nicht die sich dagegenwerfenden Wassermassen die Brücke erbeben ließen, sondern ihr Schritt.
Seine äußere und innere Sicht waren plötzlich gleich, und Lalo vergaß seine Erschöpfung. Er eilte vorwärts, schneller als sein Sohn, und obwohl es ihm unmöglich erschien, wußte er, wer diese Frau war.
Und dann hasteten seine Füße über die Brücke, seine Hand schloß sich um Gillas Hand, und neue Kraft durchströmte sie beide. Schnaufend stolperte Gilla die letzten Schritte hinter ihm her ans Ufer, und Vedemir zog sie beide die Böschung hoch.
Und als wäre der Wille, der ihn gehalten hatte, plötzlich abgelenkt, löste der Wind sich in unzählige Strudel auf. Der nun nicht mehr behinderte Fluß toste durch sein Bett, nur wenige Zoll unterhalb des Brückenaufgangs, und durch Freistatts Hafen, wo er die verankerten Schiffe auf seinem Weg ins Meer in einer gewaltigen Woge fast mit sich gerissen hätte.
Als die Flut die Brücke hinter sich gelassen hatte, breitete sie sich über den tiefer gelegenen Grund unterhalb aus. Gischt und Holzstücke wurden immer noch von den Wogen hochgeworfen, doch durch das Chaos glaubte Lalo zu sehen, wie sich hinter den Lagerhäusern eine ölig schwarze Kugel hob und in der Luft schwankend auf die Berge zutrieb.
Doch das war nur eine flüchtige Ablenkung, denn er hielt Gilla fest. Gilla, deren Wärme er durch ihre nasse Kleidung spürte, als strahle eine winzige, unlöschbare Sonne aus ihr. Durch den Schlamm spürte er die feste Erde unter den Füßen, die ihm Kraft gegen das heftige Zerren
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