Die Farbe Des Zaubers
und einer hohen, grünspanigen Messingvase mit Silberverzierung hindurch zur Tür. Die Vase kippte um, als Schnapper Jo tolpatschig sprang, um ihr den Weg zu versperren.
»Fette Dame darf nicht gehen«, sagte der graue Dämon vorwurfsvoll. »Befehl — Gebieterin sagt, Ihr müßt hierbleiben! Und mit Schnapper Jo unterhalten!« fügte er mit schielendem Blick hinzu.
Gilla unterhielt sich mit ihm. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, ob stundenlang, oder ob es ihr nur so endlos erschien. Der Dämon wiederholte sich überraschend häufig, und nur ihre lange Übung, die Fragen ihrer kleinen Kinder zu beantworten, während sie mit anderen Dingen beschäftigt war, half ihr, es zu überstehen, ohne daß sie durchdrehte. Das Licht, das gedämpft durch die Vorhänge drang, war jedoch zweifellos schwächer, als sich etwas an der Tür bewegte und Schnapper Jos Gequassel abrupt verstummte.
Das Gemach wurde scheinbar heller, was an der Schönheit liegen mochte, die diese Frau ausstrahlte. Die Gerüchte in der Stadt sprachen davon, wie schrecklich Roxane war, sagten jedoch nichts über ihre Schönheit. Ganz bestimmt war es Roxane, denn jeder wußte, daß die Zauberin Ischade bleich wie eine Nachtschattenblume war, während Roxanes Haut wie eine Rose glühte.
»Ah, Ihr genießt also die Unterhaltung?« Roxanes Lächeln spiegelte sich nicht in ihren Augen.
Du Luder, wie kannst du es wagen ... , dachte Gilla. Da begegnete sie diesem Blick und spürte, wie sich erneut eine Gänsehaut ausbreitete. Sie unterdrückte die Antwort, die ihr auf der Zunge lag.
»Mein Träger war auf jemanden wie Euch nicht vorbereitet.« Roxane musterte Gilla von Kopf bis Fuß. »Ihr könnt Euch glücklich schätzen, daß Euer Gewicht die Kugel nicht platzen und Euch als geistloses Stück Fleisch zwischen den Ebenen fallen ließ.«
Die Nisibisihexe lachte. Diese Frau strömte etwas Böses aus wie ein tödliches Parfüm.
Gilla spürte, wie sie sich in die Festung ihrer Fleischmassen zurückzog. Körperlich hatte ihre Masse ihr Respekt verschafft, und für ihren Geist war sie ein Bollwerk gegen alle, außer die stärksten 109
Persönlichkeiten gewesen. Roxane aber war pure Macht, und Gilla hatte Angst.
»Hohe Dame, dafür bin ich dankbar«, preßte sie hervor. »Aber gewiß könnt Ihr mich hier nicht brauchen ...«
»Meint Ihr? Nun, wir werden sehen. Wir wollen doch nicht voreilig sein!« Roxane lachte kehlig wie über einen ganz persönlichen Witz. »Ich behalte Euch eine Weile hier, als Gesellschaft für meinen Diener. Aber in diesem Fall werde ich wohl für Essen für Euch sorgen müssen.« Wieder musterte sie Gilla lachend. »Obwohl es Euch wahrhaftig nicht schaden würde, eine Weile zu hungern. Schnapper, laß eine der Schlangen als Wächter hier und besorge etwas zu essen für die Dame.«
»Und auch für Schnapper, Gebieterin? Köstliches Essen — rot, noch zuckend?« Der Dämon griff nach leerer Luft, seine Augen glänzten, und er schmatzte laut.
Gilla beobachtete ihn und schauderte. Sie mahnte sich, seiner scheinbaren Freundlichkeit nicht zu trauen.
»Schnapper, still!« Roxane schnippte mit den Fingern. Der Dämon erstarrte und rollte die Augen.
»Mächtige Dame, bitte laßt mich nach Hause zurückkehren«, flehte Gilla und verbeugte sich so tief, daß Roxane ihre Augen nicht sehen konnte.
»Oh, Ihr wollt gar nicht wirklich heim.« Roxane lächelte süß. »Euer Zuhause wird bald sehr feucht und ungemütlich werden. Glaubt mir, bei mir seid Ihr viel sicherer. Hört Ihr den Regen?« Sie hielt kurz inne, und Gilla vernahm das gleichmäßige, weiche Trommeln am Fenster.
»Ihr werdet bald noch stärkeren Regen hören. Aber habt keine Angst, meine Schutzzauber werden das Wasser von meinem Haus fernhalten. Dem übrigen Freistatt wird es nicht so gut ergehen. Ein Hochwasser steht bevor. Ein ganz gewaltiges!« Roxane hob die Arme, daß ihre seidenen Ärmel wogten. »Oh, es wird ihnen leid tun, wenn die Überschwemmung ihre prächtigen Tempel und Paläste hinwegreißt! Ich werde die gewaltigen Wassermassen des Nordens in einer solchen Flut herbeiholen, wie sie diese Stadt noch nicht erlebt hat!«
Gilla wurde ganz still. Wenn es zur Überschwemmung kam, würden ihre Kinder in Gefahr geraten.
Sie mußte sich etwas einfallen lassen, um von hier wegzukommen. Aber sie hatte immer am besten überlegen können, während sie arbeitete. Ihr Blick fiel auf den Besen, der mit ihr durch das Nichts gekommen war.
»Wenn ich bleiben soll, Herrin, dann
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