Die Farbe Des Zaubers
geschieht und keine Mißbilligung ist?«
»Was ich möchte?« donnerte Theron als Entgegnung. Zornig warf er den kunstvollen Kaiserkelch so heftig an die hintere Wand, daß er zurückprallend in die Lache fiel, die sich durch den verschütteten Wein gebildet hatte, und gespenstisch, mitten auf dem Boden, in einem Kreis hin und her rollte. Es hörte sich an wie Wagenräder auf dem Steinboden, ein Geräusch, das lauter wurde, mit dem Donner draußen und dem neu einsetzenden Hagel verschmolz, der wie Hufklappern klang, als galoppiere ein Gespann aus dem dunklen Himmel herab.
Tempus spürte, wie sich ihm die Härchen auf den Armen aufstellten und die Haut unter seinem Bart kribbelte, als die Weinlache auf dem Boden zu rauchen und dampfen anfing und der eingebeulte Kelch zu schimmern begann, während in seinem Kopf ein Rauschen erklang, als ein Gott ihn besuchte.
Er haßte es zutiefst, wenn Götter in seinen Kopf eindrangen.
»Raus!, Raus aus meinem Kopf!« gelang es ihm zu murmeln, ehe ihm bewußt wurde, daß es weder der tiefe Uratem von Vater Enlil, des Sturmgottes, war noch das leidenschaftliche und fordernde Brausen von Vashanka, dem Plünderer. Es war nicht die Stimme von einem der beiden Götter, sondern von beiden zusammen.
Beide! Das war zu viel! Sein Zorn wallte auf. Er haßte es, wenn man in seinen Kopf eindrang! Er haßte es, jemandes Werkzeug zu sein, der Lakai eines Mördergottes und Bursche eines anderen.
Er kämpfte gegen die Schwere in seinen Gliedern an, die ihn zwingen wollte, sitzen zu bleiben und sich unterwürfig jeglicher Erscheinung zu beugen, die dabei war, sich vor ihm zu bilden. Er knurrte und verfluchte die pure Existenz von Göttern, und es gelang ihm, die Hände um die Kante der schweren Tischplatte zu legen.
Er drückte das Holz so stark, daß es nachgab und sich wie Ton unter seinen Fingern formte, doch er konnte nicht aufstehen, ebensowenig vermochte er, dieses Geplappere göttlicher Eindringlinge aus seinem Kopf zu vertreiben.
Und vor ihm, wo der Kelch gerollt war, drehten sich nun Räder mit goldenen Felgen - die Räder eines Streitwagens, der von rauchfarbenen Troßpferden gezogen wurde, deren Hufe Funken auf den Steinen des Saalbodens schlugen. Aus dem Mahlstrom kräuselnden Rauches kam er, und Tempus war so gebannt von dem Wiehern der Pferde und dem Kreischen unirdischer Spannung um den Riß in Zeit und Raum, durch den sich der Streitwagen näherte, daß er kaum bemerkte, wie Theron beide Hände vors Gesicht geschlagen hatte und sich wie ein gealtertes Kind an seinem eigenen Tisch zusammenkauerte.
Das rote Zaumzeug der Pferde glänzte, Hände lagen um die Zügel, und die Arme, zu denen sie gehörten, waren wohlgeformt und kräftig. Der 131
Wagenlenker steckte in einem Harnisch aus emailliertem Metall, der auf die Weise vergüldet war, welche der Heilige Trupp bei seiner Gründung erkor.
Tempus brauchte das Gesicht nicht zu sehen, denn inzwischen wußte er, daß nicht ein Gott ihn besuchte, auch kein Erzmagier, ebensowenig ein Dämon, sondern ein noch fremdartigeres Geschöpf. Als der Streitwagen sich ganz aus dem Miasma um ihn löste, die Pferde schnaubten und auf dem Fleck tänzelten, und die Räder quietschend zum Halt kamen, sah Tempus, wie sich eine Hand zum Gruß zwischen Gleichgestellten an die Stirn hob.
Der Gruß galt ihm, nicht Theron, der sich mit weit aufgerissenen Augen noch tiefer duckte. Der Mann im Streitwagen lächelte sanft. Die Augen, die voll Zuneigung auf Tempus ruhten, waren so bleich und klar wie kühles Wasser. Und als die Erscheinung den Mund zum Sprechen öffnete, minderte der Gottlärm in Tempus' Kopf sich zu einem Rascheln, dann zu Wispern, schließlich zu zufriedenen Seufzern, die verstummten, als Abarsis, der tote Schlächterpriester und Schutzgeist der Heiligen Trupps, die blutroten Zügel um die Bremse des Streitwagens wickelte, ehe er ausstieg, die Arme ausbreitete, um Tempus zu umarmen, den Abarsis mehr als das Leben geliebt hatte, als er noch Mensch und nicht Geist gewesen war.
Tempus war klar, daß er nichts anderes tun konnte, als zu versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen, obwohl es ihm das Herz umdrehte, als er die Erscheinung des Jünglings sah, der einen ehrenhaften Tod in Tempus' Dienst gesucht hatte. (11)
Der Junge war nun selbst eine Macht — zwar eine von jenseits der Pforte des Todes, aber dennoch eine Macht.
»Befehlshaber«, sagte der Geist mit der samtweichen Stimme. »Ich sehe dir an, daß dein Herz mich noch
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