Die Farbe Des Zaubers
entringen. Schlaf denn nun und träume von mir.«
So schlief Tempus, und als er erwachte, war Abarsis längst fort, und es wurden bereits Vorbereitungen getroffen, daß Theron, Tempus und ein ausgesuchter Trupp nach Freistatt aufbrechen konnten.
Es würde zu Schwierigkeiten in Freistatt kommen, das spürte Roxane. Die Vorahnung bohrte sich wie ein Messer in die Nisibisihexe, die einst Todeskönigin genannt worden war und nun in ihrer verborgenen Elendshütte am Schimmelfohlenfluß kauerte, bedrängt von außen wie von innen.
Einst war sie nahezu allmächtig gewesen; einst war sie Jäger gewesen, nicht Opfer; einst hatte sie Leid und Schmerz auf das menschliche Vieh beschworen, von Freistatts Landspitze bis zu den schroffsten Gipfeln des Hexenwalls.
Doch das war gewesen, ehe sie sich in einen Sterblichen verliebte und den uralten Preis dafür bezahlen mußte. Vielleicht, wenn dieser Sterbliche nicht Nikodemos gewesen wäre, ein Angehöriger der Heiligen Trupps und im Kader von Tempus' blutgetränkten Stiefsöhnen, wäre es möglicherweise jetzt nicht so töricht erschienen, die Unsterblichkeit für die Fähigkeit einzutauschen, Tränen zu weinen und die flüchtigen Freuden einer Frau zu empfinden.
Aber Niko hatte sie betrogen. Das hätte sie wissen müssen; eine Menschenfrau hätte es auch gewußt — kein Mann und schon gar kein Krieger mit dem Eid der Heiligen Trupps würde sich einer Frau gegenüber der Treue oder Ehre verpflichtet fühlen.
Sie hätte es wissen müssen, aber sie hatte es nicht einmal geahnt. Denn Niko war die sanfteste Seele, soweit es Frauen betraf; er liebte sie so, wie er edle Pferde und kleine Kinder liebte — nicht etwa lüstern, sondern ehrlich und offen. Nun, da sie das verstand, erkannte sie es als Beleidigung. Sie war keine arme Waise, kein wirrköpfiges Dummerchen, kein unbedeutendes Flittchen. Und zur Beleidigung kam nie wieder gutzumachendes Leid. Roxane hatte ihre Unsterblichkeit aufgegeben, um einen Sterblichen zu lieben, der gar nicht fähig war, ein solches Opfer zu schätzen.
Sie war von ihrem Geliebten einer Sache wegen verraten worden, die nur in ihrer Geringfügigkeit groß war. Es war um das >Leben< eines unbedeutenden Zauberers namens Randal gegangen, eines sommersprossigen Toren, der sich jetzt mit Kräften versuchte, die im Griff zu behalten er gar nicht imstande sein würde.
Ja, Niko hatte gewagt, Roxane hereinzulegen, sie mit seiner Liebenswürdigkeit abzulenken, während sich sein kleiner Magier, den sie als Abendschmaus vorgesehen hatte, davonmachte.
Und jetzt trieb sich Niko in Verstecken, Palästen und fürstlichen Schlafgemächern herum, geschützt von Randal, der ebenfalls eine Zauberkugel besaß und durch eine zauberabweisende Rüstung, welche die Entelechie der Träume Niko geschenkt hatte. Nicht ein einziges Mal begab sich Niko zum Fluß, obwohl sein Truppführer, der Stiefsohn Straton, des Abends in diese Gegend ritt, um eine andere Hexe zu besuchen.
Auch diese andere Hexe war Roxane feindlich gesinnt — sie war Ischade, die Nekromantin. Die Stiefsöhne hätten sie von Rechts wegen noch mehr hassen müssen als Roxane und sie in ihren Nachtgebeten verdammen, wie sie es mit der Todeskönigin taten.
Roxane empfand es als Ironie. Ischade, eine leichtfertige Seelenfresserin mit beschränkten Kräften und unbeschränkten Lüsten, war mit den Stiefsöhnen befreundet und mit der Söldnerarmee verbündet, die das einzige waren, was noch zwischen Freistatt und dem völligen Chaos stand, seit die Herrschaft des Rankanischen Reiches immer schwächer wurde und der rankanische Prinz Kadakithis sich mit einer fischäugigen beysibischen Schlampe in seinem Palast verbarrikadierte.
Und Roxane, die Todeskönigin vom Hexenwall, die den Ton angegeben hatte und Herrscherin über alles gewesen war, wurde nun von den Stiefsöhnen gemieden, ja sogar von den unbedeutenderen Faktionen in der Stadt — von allen außer ihren eigenen Todestrupps, einigen wahrhaft Toten, die sie aus Grüften gerufen hatte, und ein paar anderen, 135 die schon fast den Fuß im Grab hatten, wie Eindaumen, der Wirt des Wilden Einhorns und Zip, der Anführer der VFBF (Volksfront für die Befreiung Freistatts).
Und selbstverständlich Schnapper Jo, der einzige Dämon, der ihr geblieben war — eine schielende Kreatur mit grauer, warziger Haut, die sie aus einer nahen Hölle beschworen hatte, um ihr zu dienen. Schnapper hatte sie noch, sie hatte ihn tagsüber als Schankburschen im Wilden Einhorn
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