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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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verletzten Nervenenden pulsierte wieder Leben. »Und das, Mr. Mambasa, kommt nicht oft vor«, sagte ich leise und sah ihm noch immer in die Augen. »Es ist ein Zeichen, dass dir der Erfolg bald sicher sein wird. Und eines Tages wird in Südafrika dein Name in aller Munde sein.«
    Vor dem Atelierfenster hatte der Star mit dem schwarz glänzenden Gefieder, belebt durch die rasch wärmer strahlende Sonne, sein frösteliges Herumgehupfe beendet und zwitscherte jetzt in den höchsten Tönen, laut und kräftig und voller Verheißung für einen wunderbaren Tag. Nichts hätte weiter von der Wahrheit entfernt sein können.
     
    Thandi erreichte Mutter gerade noch, bevor sie sich auf den Weg zur Galerie machen wollte. Ich stand neben Mutter in der Küche und packte meine Schultasche.
    » Ousie! Ousie! «, drang Thandis jammernde Stimme aus dem Hörer, sodass sogar ich ihre verzweifelten Ausrufe hören konnte. »Der Baas ist fort! Diese bleddy bliksem Polizei … sie haben ihn mit Handschellen gefesselt … in ihren Transporter geworfen! Sein schönes schwarzes Hemd zerrissen …«
    »Stopp, stopp, Thandi, mal langsam! Wer ist fortgebracht worden?« Mutter hielt ihre volle Tasse über die Spüle und ließ den Kaffee geistesabwesend in den Abfluss fließen. Fort, fort, fort. Der intensive Kaffeeduft stieg mir in die Nase und machte mich auf einmal todtraurig.
    »Baas Dashel! Sie haben ihn geschnappt, als er gerade zur Galerie gehen wollte. Er hat versucht, sich zu wehren.«
    »Aber was haben sie ihm denn vorgeworfen?« Mutter setzte sich langsam auf einen Küchenstuhl und stützte den Kopf in die Hände. »Unsittliche Handlungen! O Gott, aber warum das …?« Mutter schwieg, während Thandi weitersprach. »Ich verstehe. Verstehe.« Ihr Fuß in dem weichen Lederpantoffel hüpfte auf und ab.
    Weitermachen wie immer. Ganz normal weitermachen , dachte ich und belegte mein Schulsandwich fertig mit Eiersalat, wickelte es in Folie, steckte es in meine Tasche. Wahrscheinlich würde ich in der Mittagspause keinen Bissen davon runterbringen. Janice oder Clive würden es verdrücken. Mein Magen zog sich zusammen wie ein Akkordeon. Ich wusste, was »unsittliche Handlungen« meinte. Als ich vierzehn war, hatte ich Jungs in der Schule davon reden hören, dass sie ins Gefängnis kämen, wenn sie sich nackt mit einer schwarzen Frau einließen und ihren Pimmel in ihre dunkle » doos« steckten . Zu Hause hatte ich nachgefragt, und Vater hatte erklärt, die südafrikanische Regierung habe 1950 ein Gesetz erlassen, schlicht »Gesetz gegen unsittliche Handlungen« genannt.
    »Es besagt, dass es zwischen einer schwarzen und einer weißen Person keinen Sex geben darf. Nach Ansicht der Regierung ist das unrecht, gegen das Gesetz. … und beide Personen müssen ins Gefängnis, wenn sie dabei erwischt werden.« Vater zuckte resigniert mit den Schultern. »Tja, so steht es mit den Freuden des Lebens in unserem Land.«
    »Und was, wenn man sich in jemanden mit einer anderen Hautfarbe verliebt?«, hatte ich gefragt.
    »Ruby, mein Schatz, das geht nicht. Liebe zwischen Schwarz und Weiß ist nicht erlaubt.«
     
    Jetzt schoss mir noch ein neuer Gedanke durch den Kopf: War die schwarze Person, mit der man Dashel geschnappt hatte, ein Mann oder eine Frau? Jeder wusste, dass Dashel homosexuell war. Ein moffie , wie die Jungen in der Schule sagen würden, ein Abartiger, der statt Frauen Männer liebte. Für mich aber war er der stets charmante Onkel D.
    Mutter wiederholte die Telefonnummer, die Thandi ihr durchgab, und notierte sie. »Gott sei Dank haben sie ihn auf die Polizeiwache nach Rosebank gebracht und nicht ins Fort in die Innenstadt.« Nervös ging sie in der Küche auf und ab und wickelte sich dabei gedankenverloren die lange Telefonschnur um den Arm, bis es nichts mehr zu wickeln gab.
    Vater sprach oft vom Fort. Gefangene weinten, wenn sie erfuhren, dass man sie ins Fort transportieren werde. Viele wurden dorthin gebracht und kamen nie wieder. »Unfalltod«, hieß es dann für gewöhnlich.
    Ich ging hinauf und zog meine Schuluniform an. Weiße Bluse. Blauer Trägerrock. Wie immer. Schulkrawatte. Wie immer.
    Wieder unten sagte ich zu Mutter, ich wolle zur Polizeiwache, um Dashel zu sehen, sie aber bestand darauf, dass ich zur Schule ging. »Du kannst nichts tun, Ruby, also geh und sieh zu, dass du etwas Brauchbares lernst. Und mach dir keine Gedanken. Ich habe Vater erreicht, er ist schon unterwegs.« Müde lächelte sie mir zu, aber ich sah sehr wohl

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